Cenham

nach der Schlacht von Minas Tirith:

Rauch und Asche lagen in der Luft und stachen in seinen Augen. Unwillig wischte sich Geol mit dem Ärmel über das Gesicht während er auf der Hauptstrasse Minas Tirith’s lief und jene Abzweigung suchte, die ihn zu den Quartieren der Wächter bringen mußte. Lange genug hatte er suchen müssen, bis ihm da jemand hatte Auskunft geben können und sie tuschelten, der König wäre in der Stadt und habe große Heilkraft. Geol schnaufte. Wenn es wirklich so war, stand dem guten Mann eine lange Nacht bevor, denn Verletzte, denen die Zeit davonlief, gab es viel zu viele. In den Ringen der Stadt und auch davor. Soviele, dass auch geringere Heiler wie er selbst in dieser Nacht keine Ruhe würden finden können. Aber ehe er zu den Zelten vor der Stadt zurückkehren konnte wollte er Cembald finden, der zu jenen, die er aus früheren Tagen in Minas Tirith kannte, gegangen war. Er strauchelte, als ein stechender Schmerz durch sein verletztes Knie schoß und mußte für einen Moment innehalten. ‚Immerhin, nicht mehr als das‘, dachte er dankbar.
Er fand Cembald auf einem Lager sitzend im Gespräch mit einem anderen Mann, der aber aufstand und Geol Platz machte, als dieser herankam.
Cembald lächelte einen kurzen Augenblick und zog dann die Stirn kraus. „Ich freue mich, dass du nach mir sehen kommst, aber ich denke nicht, dass du ohne Anlass hier auftauchst.“
Geol nickte und ließ sich schwer auf den freigewordenen Stuhl sinken. „Cenham“, sagte er nur.
Cembald fuhr kerzengerade auf und starrte ihn an. „Er lebt?“ Seit er ihn vor Helm’s Klamm aus den Augen verloren hatte, hatte er nicht wieder von ihm gehört. Wie lange war das jetzt her? Etwa zwei Wochen? Es fühlte sich wie zwei Jahre an, bei allem, was seither geschehen war.
Geol seufzte. „Sarumans Schergen. Sie hatten sich bereits in Bewegung gesetzt, daher kam er nicht an ihnen vorbei zu euch zurück. Er versuchte es an der Furt und schloß sich dort dem Kommandeur Grimbold an, denn der Ärger mit den Orks war absehbar und die Reste von Theodreds Kavallerie dort konnten einen Reiter mehr gut gebrauchen. – Du hast ja gehört, was dort geschah. Cenham war bei denen, die Grimbolds Rückzug zu Pferd deckten. – Er war die ganze Zeit nicht fern, wir haben ihn in dem Chaos nur nicht bemerkt. Er kam mit Erkenbrand nach Helm’s Klamm und er zog mit seinem neuen Hauptmann hierher.“ Er machte eine Pause und überlegte, wie er fortfahren sollte. „Grimbold… Ein Mann, dem Erkenbrand die Westfold anvertraut hatte… ich vermute, für eine Weile hat er Hrimholts Platz bei Cenham eingenommen, mit dem Unterschied, dass er von Grimbold Anerkennung erfuhr… Grimbold war ein tapferer Mann, Cembald. Einer, der auch noch weiterkämpfte, als er schon nicht mehr auf den Beinen hätte stehen sollen. Bei einem Ansturm der Feinde, gegen Ende der Schlacht, erschlug Cenham alles, was sich gegen sie warf. Aber als er sich dann zu Grimbold umwandte… Es war ein Schock für ihn. Er hatte alles getan und dennoch… Als wir das Schlachtfeld nach Verletzten absuchten, um sie ins Lazarett zu bringen, fand ich den Schwarzen. Er stand über seinem Herrn und fuhr auf jeden los, der ihm nahe kam. Zum Glück erinnerte er sich an mich. Cenham saß noch immer neben seinem Kommandeur, wie versteinert. Er ist nicht schwer verletzt, aber er zittert und steht völlig neben sich. Ich hatte alle Mühe, ihn von dort wegzubewegen, und er ließ die Männer, die die Bahre mit Grimbold trugen, nicht aus den Augen. Du kennst ihn. Er läßt mich gerade soweit an sich heran, dass er überhaupt mit mir spricht, nicht weiter. Ich habe für ihn getan, was ich konnte. Verbände, Decken, aber schon bei dem Versuch, etwas Warmes in ihn hineinzubekommen, bin ich gescheitert. Er ist nicht davon abzubringen, dort die Totenwache abzuhalten und ich mache mir ernsthaft Sorgen, was danach wird. Er sollte jetzt nicht allein sein.“ Cembald war bereits vor Geols letzten Worten aufgestanden. „Bring mich hin.“

aus den Ländern von Mittelerde und darüber hinaus