Tjoren kam, um sich von Aerdan zu verabschieden. Heute sollten sie sich ihren Anführern anschließen und zum schwarzen Tor reiten, um den dunklen Herrscher herauszufordern. Es war noch kaum hell draußen. Sie sprachen leise miteinander, um die übrigen im Zelt nicht zu stören. Tjoren war schon im Begriff, zu gehen, als Olwig sich regte. „Gebt auf euch Acht“, sagte er leise. „Habe ich… habe ich dich schon richtig um Verzeihung gebeten, Tjoren? Draußen, auf dem Pelennor? Ich habe mich dir gegenüber besonders scheußlich verhalten, und ich schäme mich dafür.“ Seine Stimme war noch leiser geworden. Er bekam schlecht Luft.Tjoren seufzte. Es war eine seltsame Sache, aber seit er Aerdans Sorge um Olwig begleitet hatte, seine Freude darüber erlebt hatte, daß der Mann bis jetzt überlebt hatte, konnte er Olwig nicht mehr so verabscheuen wie früher. Auch jetzt, als er in sich hineinhorchte, fand er nur Mitleid mit jemandem, dessen Leben so aus den Fugen geraten war. Wut war für starke Feinde. Dieser hatte aufgehört, ein ernster Gegner zu sein. „Das weiß ich,“ sagte er also. „Und deshalb bin ich nicht mehr wütend auf dich. Ich hoffe, du erholst dich gut während wir fort sind. „Olwig schluckte und blinzelte mehrmals. „Ich danke dir“, sagte er schließlich. Tjoren war bestürzt, als er sah, wie sich Tränen in Olwigs Augen sammelten. „Früher“, sagte der Kranke mühsam, „hätte ich das nicht zu schätzen gewußt. Ich wäre jetzt gekränkt und wütend gewesen. ‚Erscheine ich dir so jämmerlich, daß ich deinen Ärger nicht wert bin?‘ hätte ich gefragt und dich noch etwas mehr gehasst, denn ein Sieger braucht die Verzeihung des Unterlegenen kaum.Verzeihen tut der Stärkere dem Schwächeren gegenüber und du bist stärker als ich. In fast jeder Beziehung. Damals wäre ich nicht in der Lage gewesen, das noch zu der Erniedrigung zu ertragen. Heute… bin ich froh über jede Last, die ich nicht weiter mitschleppen muß. Es… es ist so schon schwer genug…“Er mußte husten von den vielen Worten und stöhnte auf vor Schmerzen, als das seinen zerschmetterten Brustkorb erschütterte. Beide Männer an seinem Bett kamen ihm zu Hilfe. Aerdan stützte ihn, Tjoren reichte ihm etwas zu Trinken an, als der Anfall vorüber war.Olwig holte so tief Luft, wie er es gerade wagte. „Gib auf die anderen Acht, Tjoren, da, wo ihr hinreitet. Du brauchst die Dunkelheit nicht zu fürchten, nicht jemand, der ein eigenes Licht in sich trägt, so wie du.“ Tjoren räusperte sich verlegen. „Die meisten sind sich sicher, daß das eher mein aufbrausendes Temperament ist, was da auflodert.“Er brauchte einen Moment, um zu erkennen, daß das seltsam keuchende Geräusch, das er hörte, Olwigs Lachen war. „Die meisten kennen dich schlechter als ich. Lass sie sich wundern.“
Olwig, nach dem Pelennor, während die anderen am schwarzen Tor sind.  Inzwischen  geht es ihm wieder leidlich gut, einige Knochen sind noch nicht wieder  heil, aber er ist in jenem Zelt geblieben, weil es gerade so passte,  weil Bynstan ihren Arzt anders eingesetzt hatte und aus Freundschaft zu  Gerwald.Aerdan war noch nicht voll einsatzfähig, hatte aber Verwaltungsaufgaben übernommen und kam nur mehr einmal am Tag vorbei.
Er  knirschte mit den Zähnen. Seit dieses jammernde Kind auf der Pritsche  neben seiner lag, fand er kaum mehr Schlaf. Ärgerlich drehte er sich  fort, soweit es seine Verletzungen zuließen, und zog sich die Decke über  den Kopf. Das Schluchzen war immer noch zu hören. Deutlicher sogar,  schien es ihm, seit er darauf gelauscht hatte. Als es schließlich  verstummte gab er sich nicht der Illlusion hin, daß dies lange so  bleiben würde, denn die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß der Junge nie  lange Ruhe gab. So war es auch diesmal wieder. Diesmal begann es als  leises Wimmern, immer wieder unterbrochen von kurzen Schmerzlauten.Entnervt  zog Olwig die Decke fort, drehte sich zurück und blickte hinüber. Außer  dem blonden Schopf des Jungen war nicht viel von ihm zu erkennen. Olwig  seufzte. Es brachte nichts, auf Gerwald zu hoffen, der sich sonst  unermüdlich um alle kümmerte. Gerwald war so erschöpft gewesen, daß der  Arzt darauf bestanden hatte, daß er eine Pause einhielt. Vor morgen  Mittag würde er nicht zurück sein, aber sein Ersatz war neben der  Verbandstruhe eingeschlafen. Olwig knirschte wieder mit den Zähnen. Wenn  es ihm nicht immer noch so schlecht ginge hätte er mit irgendetwas nach  dem Mann geworfen um ihn zu wecken, aber so hatte er wenig Aussicht auf  Erfolg, wenn den die Geräusche um sich herum schon nicht störten. Wenn  er wollte, daß der Junge Ruhe gab, mußte er schon wohl oder übel selbst  dafür sorgen.“Hey,  Kleiner“, rief er ihn leise an. „Hörst du mich?“ Das Wimmern verstummte  und der Junge wandte ihm den Kopf zu und sah ihn aus großen Augen an.  Blau waren sie, wie der Himmel im Sommer, und in dem stark geröteten,  schmalen Gesicht fielen sie besonders auf. Er schniefte unglücklich. „Wie heißt du, Kleiner?““Sigurd.“  Seine Stimme war noch die eines Kindes. „Und du?““Olwig. Wie alt bist du, Sigurd?““11.“Olwig blinzelte. „Und du hast auf dem Pelennor gekämpft?““M-hm“,  machte der Junge, und seine Augen füllten sich mit Tränen. „Mein Bruder  wollte das nicht, aber ich wollte nicht allein zurückbleiben.“ „Ist dein Bruder auch hier?“Mehr Tränen. „Nein.““Vielleicht findet…“ „Nein, Olwig. Er hat es nicht geschafft.““Oh.“  Er hatte ihn ablenken wollen, hatte aber nun überhaupt keine Ahnung,  was er sagen sollte. Eventuell nur: Ich möchte schlafen, sei bitte  ruhig, ja? Er war schon kurz davor, als Sigurd ihn fragte: „Olwig, weißt  du ob es sehr weh tut, wenn sie einem den Arm abnehmen?“Olwig blinzelte mehrmals. „Warum fragst du?““Weil  der Arzt gesagt hat, daß sie das morgen wahrscheinlich tun müssen. Er  hat es nicht zu mir gesagt, aber ich habe ihn gehört, und jetzt habe ich  einfach nur Angst. Auch, weil sie mich woanders hingebracht haben.  Warum haben sie mir nicht erklärt, was los ist? Olwig?“‚Scheiße!‘,  dachte Olwig. ‚So eine Scheiße. Sie haben dich hergebracht, weil hier,  zumindest sonst, bessere Betreuung herrscht. Weil die, die hier sind,  das nötig haben. Weil für die, die hier sind, zum Teil keine Hoffnung  auf Besserung besteht. Und darum haben sie dir das nicht gesagt.‘ Laut  aber sagte er: „Ich weiß nicht, Junge. Vielleicht weiß der Arzt hier  besser mit deiner Verletzung umzugehen. Meine Knochen hat er recht gut  wieder eingerichtet, mir geht es schon viel besser als noch vor ein paar  Tagen. Du wirst sehen, dir geht es bestimmt auch bald besser.““Aber… aber wie soll es das, wenn ich keinen Arm mehr habe? Den braucht man doch!“Richtig.  Olwig hatte ein flaues Gefühl im Bauch. Es war das eine, plötzlich im  Kampf verstümmelt zu werden, aber etwas völlig anderes, darauf zu  warten. Zu wissen, daß man heute noch zupacken konnte, aber morgen nicht  mehr. Ein Kind mit diesem Wissen allein zu lassen… nun, der Arzt  ahnte das ja nicht, aber… Er verstand, das eine einfache Bitte um Ruhe  unmöglich Erfolg haben konnte. Armer kleiner Kerl. Scheiße.Sigurd streckte zögerlich die Rechte nach ihm aus. „Kannst du meine Hand nehmen? Bitte? Ich habe so Angst.““Du  hast Glück, daß meine Linke so ziemlich das Einzige ist, was ich mir  nicht gebrochen habe“, brummte Olwig und kam seiner Bitte nach. Die Hand  des Jungen war warm und zuckte, wann immer er sich vor Schmerzen auf  die Lippen biß. „Der  Mann da drüben auf der anderen Seite hat vorhin geschimpft, weil ich so  laut geweint habe. Ich versuche ja, das nicht zu tun, aber… es tut so  weh….“ „Das wußte er wohl nicht. Hat man dir denn nichts gegen die Schmerzen gegeben?“ „Der  Arzt hat gesagt, da kümmern sich die anderen drum, aber hier haben sie  mich nur reingebracht und dann war niemand mehr bei mir.“‚Scheiße‘,  dachte Olwig zum wiederholten Male, denn sein eigener Krug war  inzwischen leer. Ein Grund mehr, ihn zu werfen. Er begann, wieder  darüber nachzudenken.“Aber morgen, ehe sie das mit dem Arm machen, da geben sie mir doch bestimmt irgendetwas, oder, Olwig?““Aber natürlich!“ beeilte er sich zu versichern. „Danach… wenn das alles weg ist… tut es dann weniger weh?“(‚Nach  allem, was ich gehört habe, nein…‘) – „Ich denke schon“, antwortete  er. „Ich denke dann heilt es, und dann kannst du bald wieder  herumlaufen, und dann lernst du, alles eben anders und langsamer zu  machen. Es könnte doch viel schlimmer sein. Schau, du lebst noch und  deine Leute werden überglücklich sein, wenn sie dich wiederhaben.“Da  waren die Tränen wieder, die schon versiegt waren, als er Sigurds Hand  genommen hatte. „Aber es ist doch niemand mehr da. Uhland und ich haben  doch als Einzige vom Hof fliehen können, und jetzt ist er auch nicht  mehr da.“(‚Sch…!‘)    „Du bist noch da. Du erinnerst dich an sie alle. Und irgendwann  findest du eine Frau und bekommst Kinder und dann seid ihr wieder viele.  Und denen erzählst du dann von den anderen, dann geht ihre Geschichte  weiter.“Der  Junge runzelte die Stirn. „Was soll ich mit einer Frau? Und welche Frau  will denn einen Mann mit einem Arm? Der kann ja nicht richtig arbeiten.  Ich werde schon froh sein, wenn ich mich selbst irgendwie durchbekomme.  Wer will denn schon einen Arbeiter, der nicht richtig arbeiten kann,  wenn er einhundert gesunde  Männer bekommen kann?“ (‚Wo  du Recht hast…‘)  „Sigurd, mach dir keine Sorgen. Erstmal bin ich ja  für dich da, du bist ja nicht allein. Du wirst Zeit genug haben,  herauszufinden, was du gut tun kannst, und das wirst du tun. Das ist  ‚dann‘. Mach dir darüber jetzt keine Gedanken. Jetzt wirst du erstmal  gesund, ja?““Heißt das, ich darf bei dir bleiben, wenn ich gesund bin?“(‚Hab  ich das so gesagt? Was hab ich da gesagt?‘)   „Erstmal sind wir beide  hier, und ich pass auf dich auf. Und später sehen wir mal, wie es  weitergeht.““Was  machst du, wenn du nicht gerade dem König in den Kampf folgst? Hast du  einen Bauernhof, wie wir hatten? Oder kannst du ein Handwerk?““M-m.  Ich war schon vor dem Kampf ein Krieger. Ich habe für unseren Greven in  unserer Stadt für Ordnung gesorgt.“  (‚Aber meine Leute hassen mich und  im Moment wäre ich froh über ein ehrliches Handwerk.‘)“Ich  kann kein Krieger sein, Olwig. Ich kann nie mehr einen Bogen abfeuern.  Ein Jäger kann ich auch nicht sein. Und noch viel mehr nicht. – Erzähl‘  mir von dir. Wie heißt deine Stadt?““Cliving.““Ist das eine große Stadt?““Ja.““Wieso sagst du dann so wenig darüber? Erzähl mir von Cliving.“Olwig  seufzte und gab sich Mühe, sich an irgendetwas zu erinnern, das dem  Jungen gefallen könnte. Sein Arm schmerzte, aber er wagte nicht, die  Hand fortzunehmen, aus Angst, daß dann wieder Tränen fließen würden.  Sein Rippenkasten schmerzte auch, von dieser gezwungenen Haltung, und  das viele Sprechen fiel ihm auch nicht gerade leicht. Aber es war  besser, leise auf das Kind einzureden, als seinem Wimmern zuzuhören. Er  erzählte ihm gerade von Eldac und den Pferden, als er bemerkte, daß dem  Jungen immer häufiger die Augen zufielen. Kurze Zeit später ließ die  Spannung der Hand nach. Sigurd war eingeschlafen. ‚Endlich‘,  dachte Olwig, schob die Hand hinüber und brachte sich in eine  angenehmere Position. Er träumte selbst bald von den Pferden.  Gewissenhaft striegelte er einen glänzenden Schimmel, als jemand seinen  Namen rief. „Komme gleich“, sagte er, und striegelte weiter. Das Rufen  hörte nicht auf. Er  schlug die Augen auf. Zuerst sah er nichts, weil nur noch eine einzige  Lampe im Zelt nicht herunter gebrannt war. Dann wurde ihm jedoch schnell  klar, daß es ernst um Sigurd stand. Der Junge atmete hastig, weinte und  fragte nach Olwig, halb im Traum. Sein Haar sah dunkel aus und klebte  ihm an der Stirn und als sich Olwig so weit hinüberlehnte, daß er ihn  berühren konnte, merkte er, daß der Junge vor Fieber glühte. Die Decke  war fortgerutscht und er sah, daß der Verband der linken Hand blutig  war. Es roch auch nicht gut. Und immer noch niemand, der umherging.  Daher auch die fehlenden Lichter. Die anderen schliefen oder waren mit  sich selbst beschäftigt, jedenfalls hatte niemand etwas unternommen.  Olwig fluchte wüst. Er arbeitete sich etwas hoch, biss die Zähne  zusammen, griff zu seinem Krug, arbeitete sich noch weiter hoch und  zielte. Er hatte keine Chance, den Schlafenden zu erwischen, so gern er  das auch getan hätte, aber die inzwischen ausgebrannte Lampe daneben gab  ein vortreffliches Ziel ab. Er vergewisserte sich noch einmal, ehe er  warf, er hatte nur den einen Versuch. Zufrieden sah er zu, wie der Krug  einschlug, Scherben in alle Richtungen sprangen, die Lampe kippte, im  Fallen noch andere Dinge mitriß und der elende Ersatz, davon getroffen,  erschreckt hochfuhr. „Sieh zu, daß du deine Arbeit erledigst!“ schrie er  ihn an, im besten Befehlston. Er mochte kein Handwerk erlernt haben,  aber er verstand sich darauf, Leute herumzukommandieren. „Schau dir die  Sauerei an! Nichts ist erledigt! Der Junge hier braucht einen Arzt,  sofort!“ „Äh…“ Der Mann starrte ihn an. „Es ist mitten in der Nacht, oder?““Komm  mir nicht so! Mir scheißegal, wie spät es ist! Du läufst jetzt sofort  los und holst den Arzt, und wenn der länger braucht wartest du nicht auf  ihn sondern kommst sofort wieder her und hilfst hier, verstanden?“ Der Mann starrte ihn immer noch an. Mehrere andere auch, inzwischen. „Na los! Willst du Wurzeln schlagen? Ab mit dir!“Hätte  er aufspringen und ihm eine reinhauen können hätte er es getan. Endlich  setzte sich der Kerl in Bewegung, sah sich nochmal nach ihm um…Olwig  warf das Kissen auch noch. Hinterher bereute er es, aber er hatte sich  nicht beherrschen können. Da er soundso schon halb aus dem Bett hing  rutschte er ganz heraus und zog sich zu Sigurd hinüber und versuchte,  ihn zu beruhigen. Ein weiterer Mann war aufgestanden. Mühsam humpelte er  zu ihnen um ihnen etwas Wasser zu bringen. Gemeinsam gelang es ihnen  auch, dem Kind den Becher an die Lippen zu halten, aber Sigurd war so  fiebrig, daß er kaum etwas schlucken konnte.  Olwig sah den anderen Mann  hilflos an, doch der seufzte nur. „Wo  bleiben die so lange?“ Olwig hielt es nur schwer aus. Die Zeit schien  sich ewig auszudehnen, während sie warteten. Vielleicht waren es nur  Minuten, aber es hätten genausogut Stunden sein können. Wenn das Kind  nur nicht so fest daran glauben würde, daß er es schon richten würde.  Das Weinen hatte aufgehört, kaum, daß Olwig bei ihm gewesen war. ‚Ich  kann es aber nicht richten, das kann nur der Arzt, wenn überhaupt,‘  dachte er traurig. Endlich,  endlich wurde es laut am Eingang. Ein Mann mit einer Laterne trat ein,  gefolgt von einem weiteren und dem Arzt. Alle drei redeten auf den  elenden Ersatz ein, der ganz zuletzt kam. Dann sahen sie herüber und  kamen zu ihnen. Einer der Männer fluchte ebenso wüst wie Olwig, die  übrigen beiden schauten sehr ernst.  „Wir kümmern uns jetzt um ihn“,  sagte der, der geflucht hatte, freundlich zu Olwig und löste die Hand  des Jungen aus der seinen. Zwei der Männer hoben die Pritsche an, um  Sigurd darauf hinauszutragen. Olwig blieb am Boden hocken und sah ihnen  nach. Er bemerkte erst verzögert, daß der dritte Mann noch geblieben  war, um ihm selbst auf sein Lager zurück zu helfen. Der Humpelnde hatte  den Trägern bereits Platz gemacht und war schon wieder an seinem Bett  angekommen.“Ihr könnt ihm doch helfen, oder?“ Olwig erkannte seine eigene Stimme kaum.Sein  Helfer hatte inzwischen das Kissen zurückgeholt. Er seufzte, als er es  Olwig  vorsichtig unter den Kopf schob. „Wir tun unser Bestes.“ Olwig hasste diesen Satz.Der  elende Ersatz ging nun herum, füllte das Öl in den Lampen nach, füllte  die Wasserkrüge, stellte ihm einen neuen hin, sprach aber mit niemandem.  Dann tat er endlich, was er sollte, und wechselte einige Verbände. Um  Olwig machte er einen Bogen, was dem nur recht war. Er hätte ihn soundso  nicht an sich herangelassen.Die  ganze Aufregung und Anstrengung hatte jedoch bei ihm ihre Spuren  hinterlassen, so daß er einschlief, obwohl er sich Sorgen machte und  vorgehabt hatte, auf Sigurds Rückkehr zu warten.Er  wurde erst wieder wach, als jemand seine Verbände wechselte. Beinahe  hätte er Gerwald angeschrien, er konnte sich gerade noch bremsen, als er  ihn erkannte. „Du bist es,“ schnaufte er erleichtert. „Es  tut mir so leid, Olwig. Ich konnte nicht ahnen, daß sie gerade ihn  schicken würden und das irgendwie alles an dem Tag schief gehen würde.“Olwigs Kopf ruckte herum. Die Pritsche und Sigurd waren zurück. „Er  wird es schaffen“, antwortete Gerwald auf seine unausgesprochene Frage.  „Du hast ihm letzte Nacht das Leben gerettet.  Irgendwie hat niemand so  recht weitergegeben, wo er ist und was überhaupt mit ihm ist. Er hätte  nie so lange unbehandelt hier liegen dürfen. Der Arzt kam gerade noch  zur rechten Zeit.“Aber trotz alledem endete der linke Arm des Jungen, der verbunden auf der Decke lag, nun eine Handlänge unter dem Ellenbogen.Olwig schauderte es bei dem Anblick und er presste die Lippen zusammen. „Er ist noch ein Kind“, sagte er leise.“Und er hat Glück gehabt und wird erwachsen werden“, gab Gerwald zurück. „Du  redest jetzt mit mir, wie ich mit ihm. Machen wir uns doch nichts vor,  es ist Mist. Er wird nie wie andere Jungs in seinem Alter sein.“Gerwald  ließ sich von seiner positiven Sichtweise nicht abbringen. „Das  stimmt“, gab er zu. „Aber er wird dennoch gute Tage erleben. Es liegt  noch so viel vor ihm.“(‚Soviel  Mühsal‘), dachte Olwig. „Es ist nicht gerecht“, sagte er. „Ich werde  zwar noch eine Weile brauchen, aber irgendwann bin ich wieder ganz ich  selbst.  Für ihn hat sich alles verändert. Das hat er nicht verdient.“ „Was  soll ich von so einem Satz halten, Olwig? Daß du es weniger als er  verdient hattest, gesund zu werden? So ein Unsinn. Es ist, wie es ist.  Und wir beide werden ihm helfen, damit fertigzuwerden, wie es ist. Und  laß dir gesagt sein, mit Selbstvorwürfen und dummen Vergleichen hilfst  du ihm nicht. Die Hand mag ihm fehlen, aber sonst nichts, und schon gar  nicht sein Verstand.“Olwig sah ihn schräg an. Gerwald wußte nichts über seine Vergangenheit. Er wußte nur, daß Aerdan täglich nach ihm sah. Aerdan.Was  der wohl dazu zu sagen hatte? Sigurd hatte es so aufgefasst, daß er  sich nun voll auf Olwig verlassen konnte… aber Olwig würde ihm ohne  Aerdans Hilfe rein gar nichts bieten können…“Wie hat der Junge reagiert, danach?“ fragte er Gerwald.“Er ist noch nicht wieder richtig wach geworden.““Das auch noch.“ Zerknirscht sah Olwig hinüber. Blieb denn alles an ihm hängen? „Schieb  seine Pritsche heran“, entschied er. „So kann ich ihn schlecht  erreichen, aber ich sehe schon kommen, daß das nötig sein wird.“Gerwald lächelte . „Danke, Olwig. Ich hatte gehofft, daß ich mich auf dich verlassen kann.“ „Schon gut. Weiß ja, wie viel du zu tun hast, und wie wenige ihr seid.“
Als  Aerdan kam, war es draußen schon dunkel. Gerwald sah von seiner Arbeit  auf und winkte ihn heran, um ihm zu erzählen, was sich seit gestern  ereignet hatte.Olwig  sah auf, als Aerdan sich zu ihm setzte. Er mußte sich zwischen Zeltwand  und Lager quetschen, an die Seite mit dem gebrochenen Arm, denn den  Gesunden hatte Olwig um Sigurd gelegt. Der Junge hatte sich neben ihm  zusammengerollt, das Gesicht an seiner Seite vergraben und schlief. „Sprich leise“, flüsterte Olwig. „Ich hatte Mühe genug, ihn zu beruhigen.“Aerdan  nickte und sah ihn weiter an, in einer Art, die Olwig irritierte.  „Warum strahlst du so? Gibt es gute Neuigkeiten vom König? Haben wir  wider Erwarten gewonnen? Ist die Finsternis fort?“ Dazu mußte Aerdan  leider den Kopf schütteln, sie hatten seit über einer Woche nichts von  den Fortgezogenen gehört.“Ich  freue mich für den Jungen. Gerwald hat mir erzählt, du hättest ihn  unter deine Fittiche genommen. Und ich freue mich auch für dich, daß du  gelernt hast, dich für jemand anderen einzusetzen. So, wie er liegt,  kann das nicht bequem für dich sein.“ Olwig sah zu Sigurd, der fest schlief, und wurde rot. „Zuerst wollte ich nur, daß er Ruhe gibt“, gab er zu.“Und dann?““Dann  brauchte er jemanden. Er hat niemanden mehr. – Onkel… was wird sein,  wenn wir heimkehren? Du hattest angeboten, mich bei dir aufzunehmen….  gilt das auch für ihn?“Aerdan lächelte. „Natürlich gilt das auch für ihn. Das Haus ist groß genug.“Olwig  atmete auf, als er das hörte. „Gut. Ich wüßte sonst nicht, was ich tun  sollte. Er wird nicht so arbeiten können wie andere Jungs. Und wir haben  noch nicht darüber gesprochen, was aus mir wird, wenn wir zurückgekehrt  sind. Ich weiß auch, warum. Du wolltest sicher das unangenehme Thema  nicht aufbringen, daß ich seit… seit dem letzten Fehler nicht mehr  dazugehöre.“ Aerdan konnte nicht verhindern, daß etwas in seinen Augen ihn verriet.“Ach  Onkel, ich weiß das doch selbst… Am liebsten hätte ich etwas ganz  anderes begonnen, aber das kann ich nicht, wenn ich für Sigurd sorgen  möchte. Ich kann nicht mit irgendetwas von vorn anfangen, ohne zu  wissen, ob es zu etwas führt. Ich bin ein Krieger, etwas anderes habe  ich nicht gelernt. Meinst du nicht doch, es ginge, das ich unseren  Unterhalt weiter in deiner Einheit verdiene? Trotz allem, was war?  Meinst du, deine Männer lassen das zu, daß du mir schon wieder eine  Chance gibst?“Aerdan räusperte sich und mochte sich dazu eher nicht äußern.“Wer ist jetzt dein Waffenmeister?“ fragte Olwig. „Ich hoffe, Jurlen hat endlich den Posten bekommen, der ihm zusteht.““Jurlen  ist noch nicht wieder auf den Beinen, aber ja, ich hatte ihn dafür  vorgesehen. Wenn du jedoch auf einer Rückkehr bestehst…““Bloß  nicht!“ rief Olwig aus, merkte, wie laut er geworden war und biß sich  auf die Lippen. „Nur das nicht,“ wiederholte er leise. “ Sag nicht, ich  könnte nur zurück, wenn ich das elende Amt bekleide. Ich will es nicht,  Onkel Aerdan, nie wieder. Ich möchte irgendwo in der Stadt Wache stehen  und mich ansonsten um Sigurd kümmern. Ich nehme auch die ungeliebtesten  Schichten und Plätze, wenn ich nur überhaupt etwas zu tun habe. Meinst  du nicht, Jurlen könnte mit den anderen reden und sie zum Einlenken  bewegen?“Aerdan  schnalzte mit der Zungenspitze. „Er könnte es, wenn er selbst davon  überzeugt wäre. Ich kann und werde es ihm nicht befehlen. Du wirst mit  ihm reden müssen.“Schnaufend  schüttelte Olwig den Kopf. „Er wird mich nicht sehen wollen. Kann er  überhaupt zu mir kommen oder ich zu ihm? Wie geht es ihm? „“Er  humpelt an Krücken, wie ich, nur dass er mit beiden Beinen Probleme  hatte. Er kann noch nicht hierher kommen. Das Gespräch wird warten  müssen. Schau nicht so, natürlich werde ich auch zuvor mit ihm reden.  Aber ich kann dir nicht abnehmen, was du selbst mit ihm klären musst.“ Olwig nickte unglücklich und sah wieder zu Sigurd. „Ich würde ihn gern aus dem Streit heraushalten.““Da  bin ich deiner Meinung. Ich werde versuchen, dir zu helfen, Junge.  Komm, verzage nicht. Wenn Tjoren sehen konnte, dass du dich geändert  hast, wieso sollte Jurlen es nicht können?“(‚Weil Tjoren anders ist als Jurlen‘), dachte Olwig, sprach es aber nicht aus. Er  bewegte sich vorsichtig, um Sigurds Gewicht anders zu verlagern. „Hast  du schon etwas gegessen?“ fragte er Aerdan. „Ich wette, du bist dazu  nicht gekommen, so spät, wie es schon ist. Nimm dir von dem Brot, Onkel,  ich hatte genug. Und nimm es mir bitte nicht übel, aber ich bin  ziemlich müde… ich mach‘ die Augen zu. Gute Nacht.“ „Schlaf  gut, Junge“, sagte Aerdan, nahm sich wirklich eine Scheibe Brot und aß  sie in Ruhe, die beiden neben sich betrachtend. ‚Kinder, alle beide‘,  dachte er. ‚Immerhin, der Ältere wird gerade erwachsen…‘ Er lächelte.  ‚Und das freut mich. Das freut mich wirklich.‘
Es  war nicht Aerdan, der die Nachricht brachte. Gerwald war vor’s Zelt  getreten, um etwas frische Luft zu schnappen, als sich draußen ein Lärm  erhob wie von einem frischen Wind und viele Stimmen redeten  durcheinander.Kurze  Zeit später wurde die Zeltplane aufgestoßen. „Der Krieg ist vorbei!“  rief Gerwald aus, er lachte und gleichzeitig liefen ihm vor  Erleichterung Tränen über die Wangen. „Die helle Sonne scheint und  überall erzählen sich die Leute, das jetzt alles gut wird und die Männer  bald heimkehren. Der dunkle Herrscher ist gefallen, sagen sie, und sie  singen in den Strassen!“Ein  Raunen lief durch das Zelt. Sigurd versuchte, aufzustehen und zu  Gerwald zu laufen, war aber noch nicht so sicher auf den Beinen,  schwankte und mußte sich abstützen. Gerwald kam zu ihm. „Olwig, Sigurd!  Die Finsternis… sie ist fort!“ „Ich möchte es sehen, Gerwald!“ bat  Sigurd. Der zögerte nicht lange, legte ihm eine Jacke um, nahm ihn  huckepack und stapfte hinaus.Olwig  sah ihnen nach. Um ihn herum waren lachende Gesichter, draußen wurde  gefeiert, aber… an ihn kam es aus irgendeinem Grunde nicht heran. Er  hatte versucht, für Sigurd stark zu sein und eine Wand um seinen  Schmerz gebaut. Nun schien es ihm, als habe er die Freude mit  ausgesperrt. Er empfand sie nicht so, wie die anderen. ‚Was ist bloß los  mit mir?‘ überlegte er. „Ich möchte mich mit ihnen freuen, aber… es  geht einfach nicht.  Die Nächte, in denen ich an Chlodhere dachte, waren  schlimm genug. Das brauche ich nicht wieder. Jedoch… um den Preis,  nicht mit Sigurd lachen zu können? Der Krieg ist vorüber. Es wird eine  Zukunft geben. Was ist bloß los mit mir?’Er  hing noch seinen Gedanken nach, als Gerwald den Jungen zurückbrachte,  der sofort anfing, loszuplappern, was er gesehen hatte. Er strahlte, wie  ihn Olwig noch nie erlebt hatte und Olwig lächelte ihn an, aber in ihm  war eine tiefe Traurigkeit, denn auch jetzt, als er ihn in Armen hielt,  gelang es ihm nicht, sich mit ihm zu freuen.
Wie  sich zeigte, brachte die Gewissheit, daß es nun bald nach Hause gehen  würde anstatt in weitere Kämpfe ihm etliche weitere Probleme. Denn  spätestens jetzt mußte geklärt werden, ob er weiter unter Aerdan dienen  konnte. Und zuvor hatte sich der Junge noch leidlich mit anderen Dingen  ablenken lassen, jetzt jedoch wollte er alles über seine zukünftige  Heimat wissen.“Olwig?““Hm?“Sigurd  lag auf dem Bauch, war auf die Ellbogen gestützt und hatte das Kinn in  die Rechte gelegt.  „Wieso kommt von deinen Leuten immer nur Aerdan  vorbei? Ich würde die anderen, von denen du erzählt hast, auch gerne  kennen lernen.““Die anderen sind auch verletzt. Oder haben zu viel zu tun“, antwortete ihm Olwig. „Aerdan hat auch viel zu tun, aber er kommt trotzdem. Das zählt nicht. „Olwig  seufzte. ‚Die von ihnen, die in Ordnung sind, sind die, die mich  hassen. Und die anderen kannst du vergessen‘, dachte er. „Es sind nicht  alles meine Freunde, Sigurd.“Der  Junge blickte ihn düster an. „Irgendwie glaube ich, du willst nicht,  daß ich mit deinen Leuten rede. Damit sie mich nicht sehen. Damit sie  mir nicht sagen können, daß es überhaupt nirgendwo einen Platz für mich  geben wird.““Zweifelst du an Aerdan? Er hat dir doch schon das Zimmer beschrieben, das du bekommen wirst.“Sigurd  schüttelte energisch den Kopf. „Das meine ich nicht, und das weißt du!  Du hast gesagt, Enskar wäre so geschickt mit Lederarbeiten, er könnte  mir einen Schutz anpassen. Eldac braucht angeblich immer Hilfe bei den  Pferden und Wigbald erzählt gern Geschichten. Utred hat einen kleinen  Bruder in meinem Alter zu Hause, den er vermisst und Bjorne ist so  stark, daß ich auf seinen Schultern stehen und die Äpfel vom Baum  pflücken kann während er den Korb hochhält.  Errold kann alle möglichen  Vogelstimmen nachmachen und die Tiere kommen zu ihm. Ich möchte so gern  einmal mit ihm in den Wald! Gerichs Bruder hat eine Bäckerei, vielleicht  kann man Zutaten mischen auch mit einer Hand, und Osrics Vater verziert  Schränke und Häuser mit Malereien. Du erzählst so viel, aber ich habe  noch keinen von ihnen gesehen!“Olwig seufzte wieder. „Am besten fragen wir Aerdan, wer von ihnen Zeit haben könnte, ja? Es liegt nicht an dir, wirklich.“ „Aber  so doll kannst du dich doch gar nicht mit ihnen gestritten haben, daß  sie nicht einmal nach dir sehen! Das sind doch deine Kameraden!“Aerdan  war hereingekommen und hörte den letzten Ausruf. „Enskar wollte nicht  stören“, sagte er zu Sigurd, der den Kopf so schnell wandte, daß er ins  Kippen kam. „Und Utred war verletzt. Aber beide wollen demnächst  vorbeikommen und dich kennen lernen, Sigurd. Enskar wohl erst in ein  paar Tagen, er will noch den Arzt abpassen und ihm einige Fragen  stellen. Dein Arm ist noch lange nicht so gut verheilt, daß er daran  etwas machen könnte, aber er möchte schon planen können.“ Das Gesicht des Jungen hellte sich auf, während Olwig schlucken mußte. Utred gehörte zu seinen schärfsten Kritikern.“Und  nun lauf, Sigurd. Du wolltest doch wissen, wie man Salbe herstellt.  Gerwald ist nebenan grade dabei und möchte es dir zeigen.“ Er half dem  Jungen hoch und legte ihm eine viel zu große Jacke um. Fröhlich machte  Sigurd sich auf den Weg. Es war nicht weit bis in den abgeteilten  Nebenraum, in dem Gerwald arbeitete. Er mußte es nur dorthin schaffen,  dann konnte er auf der Bank sitzen und zusehen. Beide Männer sahen ihm  nach, dann drehte sich Aerdan zu Olwig. „Jurlen  lehnt es vollständig ab, dich zu treffen, tut mir leid. Gestern hat ihn  jemand übersehen, die Krücke aus der Hand getreten, er ist bös  gestürzt… er ist gerade nicht gut auf dich zu sprechen. Vielleicht,  wenn es ihm besser geht.“ Olwig  ließ den Kopf hängen. „Der Junge fragt ständig nach den Männern. Ich  wußte von sonst nichts zu erzählen, darum kennt er sie jetzt alle. Ich  habe es noch nicht fertig gebracht, ihm zu sagen, daß ich daheim ein  Ausgestoßener bin.““Noch  ist nicht alles verloren, Junge. Jurlen möchte dich am liebsten nicht  wiedersehen, aber Utred sagt, dem Kind zuliebe sieht er sich die  Situation mal an. Er wird sich zusammenreißen, keine Sorge.““Und Errold?“Aerdan  seufzte. „Der schimpft auf dich, wie ein Rohrspatz. Er sagt, du hast  ein verdammtes Glück gehabt, daß dir der Junge über den Weg gelaufen  ist. Jetzt hast du wieder wen, hinter dem du dich verstecken kannst. Da  hätte ich es endlich aufgegeben, dich ihnen unbedingt auf’s Auge drücken  zu wollen, da findest du flugs jemand anderen, dem zuliebe man dich  eventuell demnächst wieder ertragen muß. – Tut mir leid, du hast  gefragt.“Olwig  nickte. „Sicher. Kann ich mir vorstellen, daß sie so denken. Sie haben  ja auch irgendwie recht damit, nur, ich habe es nicht deswegen getan.  Mit Sigurd Freundschaft geschlossen, meine ich. Das war nicht, um ihn  vorschieben zu können.“ Aerdan  legte eine Hand vorsichtig auf seinen verbundenen Arm. „Ich weiß das,  und die anderen werden es hoffentlich herausfinden.“
Sigurd  war noch nicht zurück und Olwig hatte nach Aerdans Besuch ein wenig  geschlafen, als Utred hereinkam und sich suchend umsah. Errold folgte  ihm, sah Olwig zuerst und zog seinen stämmigeren Kameraden mit sich. Mit  verschränkten Armen und schmalen Lippen baute er sich neben dem Bett  auf. „Was du da vorhast, ist Schwachsinn“, sagte er ohne weitere  Einleitung. „Du bist nicht in der Lage, für dich selbst zu sorgen,  geschweige denn, ein Kind zu erziehen. Schlag dir das aus dem Kopf,  Olwig!“Utred  nickte bekräftigend. „Du stellst dir das einfacher vor, als es ist. Du  kennst nur deine süßen kleinen Schwestern, glaub ja nicht, daß das so  einfach wird. Er ist nicht dein Kind oder dein Bruder und er hat  Schlimmes erlebt. Du bist mal wirklich kein Geschenk für so einen armen  Burschen. Überlaß ihn anderen Leuten, Olwig, die sich besser damit  auskennen, wenn du wirklich etwas Gutes für ihn erreichen willst. “ Olwig  sah von einem zum anderen und knirschte mit den Zähnen. Wenn er in  Cliving keine Anstellung fand wäre Sigurd woanders vielleicht wirklich  besser aufgehoben.  „Welchen anderen Leuten, Utred? Wen kennen wir denn  hier schon?““Oh  bitte, der Krieg hat viele zu Waisen gemacht. Wenn man in der Stadt  herumfragt wird man schon jemanden finden, der sich um sie kümmert.“Das  überzeugte Olwig nicht. „Was ihr gesagt habt ist sicher wahr, es gibt  sicher geeignetere Leute als mich, das will ich nicht abstreiten. Aber  denen vertraut Sigurd nicht. Ich könnte es ihm niemals antun, ihn  fortzuschicken.“Errold  schnaufte verächtlich. „Du kennst ihn erst ein paar Tage. Je schneller  ihr euch trennt, desto besser. Der gewöhnt sich auch an wen anderes,  wenn du fort bist. Wir werden Aerdan bitten, dich schnellstmöglich in  unser Lazarett verlegen zu lassen. Ohne das Kind. – Nein, Olwig!“  unterbrach er dessen Protest. „Es hat keinen Sinn, es überhaupt erst zu  versuchen. Du schadest ihm mehr, als dass du ihm hilfst, wenn du ihn  länger in dem Glauben lässt, er hätte eine Zukunft bei dir!“Olwig ballte die Fäuste, denn Wut half gegen Verzweiflung. „Ich habe ihm mein Wort gegeben!“ zischte er.Utred begann, zu lachen. „Was ist dein Wort schon…“   „Olwig?!“   Gerwalds  Ruf unterbrach ihn und ließ alle drei Männer in dessen Richtung  blicken. Mit Sigurd im Arm bahnte sich der Heiler einen Weg zu ihnen und  schob sich mit entschuldigendem Blick an den Gästen vorbei, die ihm  Platz machen mußten. Der Junge schluchzte unkontrolliert. Olwig räumte  die Decken beiseite und streckte den Arm so aus, daß Gerwald das Kind  gut dort platzieren konnte. „Es tut mir leid, ich kann ihn nicht so  beruhigen, wie du, Olwig. “ Als der ihn hielt, ließ das Schluchzen  bereits nach. Gerwald legte die Decken um sie beide.  „Shhh. Alles gut.“  Olwig schien Errold und Utreds Anwesenheit völlig vergessen zu haben.  Er redete leise auf Sigurd ein. Erst nach einer geraumen Weile, als der  Junge ruhiger atmete, sah er wieder zu Gerwald auf. „Was ist passiert?“   Gerwald war hochrot im Gesicht. „Ich habe nicht Acht gegeben. Der Arzt  hat mir einen Botenjungen rübergeschickt, ein paar Tiegel holen. Ich  gehe zum Regal und da höre ich nur hinter mir: ‚Was denn, haben wir echt  sowenig Leute, daß jetzt schon die Krüppel mithelfen müssen?‘ Sigurd  hatte für mich die Salbe weitergerührt, die durfte nicht anhängen und  klumpen. Ich bin rumgefahren und hab dem Scheusal eine gelangt, ehe ich  ihn mit den Tiegeln rausgejagt habe, aber da war der Schaden schon  angerichtet.““Oh bitte, nein.““Es tut mir schrecklich leid. Ich werde ihm jetzt erst einmal einen Tee zur Beruhigung ansetzen.“Olwig  nickte nur und strich dann Sigurd über den Kopf ehe er zu Utred aufsah.  „Vielleicht geht ihr besser. Mit eurem Ansinnen stoßt ihr bei mir heute  auf taube Ohren.“Die zwei sahen sich und dann ihn an und wirkten unschlüssig. „Geht, das Letzte, was er jetzt braucht, sind noch mehr Fremde.“Zu  ihrer aller Überraschung drehte Sigurd daraufhin den Kopf und sah die  beiden aus rotgeweinten Augen an. „Sind das deine Kameraden, Olwig? Dann  sind’s doch keine Fremden, dann möchte ich sie endlich kennenlernen.“Er  schniefte allerdings noch und wich ihnen trotz seiner Worte aus, so daß  er voll gegen Olwig lehnte und sie aus dieser sicheren Position heraus  betrachten konnte.  „Ich bin Sigurd“, sagte er und sah sie abwartend  an. Utred  holte einmal tief Luft, stellte sich und Errold vor und setzte sich  dann zu den beiden auf  das Lager. Hätte er weiter zurückweichen können  hätte Sigurd es getan. „Gerwald  sagt, es ist nicht Recht, wie der Junge mich gerufen hat. Das würde bei  euch doch bestimmt keiner tun, nicht wahr?“ fragte er ängstlich. „Ihr  seid doch Olwigs Kameraden, ihr würdet mich genauso beschützen, wie er,  richtig?“ Utred  fand es ausgesprochen schwer, seinem Blick standzuhalten. Er fand keine  Worte. Errold fing sich schneller als er. „Ich hoffe doch, die meisten  von uns wissen, was sich gehört“, sagte er. „Wenn du unseren Schutz  brauchen solltest, bekommst du ihn auch. Aber… meinst du nicht, du  nimmst dir das zu sehr zu Herzen? Was weiß der Bursche schon, er kennt  dich doch nicht.““Er  hat Augen im Kopf, Errold. Und er weiß, daß er’s sich erlauben kann,  über mich zu lästern. Er ist ja stärker.“ Wieder barg er den Kopf an  Olwigs Schulter. „Shhh“, machte der. „Wenn du erst wieder ganz gesund  bist, dann kümmerst du dich gar nicht mehr um solche Kerle. Wenn er das  braucht, um sich besser zu fühlen, kann dir seine Meinung wirklich egal  sein.“ „Tut trotzdem weh“, murmelte es an seiner Schulter.Utred hatte zwar immer noch keine Worte, wagte es jetzt aber, dem Jungen die Hand auf den Arm zu legen. „Hey“, machte er nur. „Hey“, schniefte Sigurd in Olwigs Schulter. „Ach,  komm her, du,“ brummte Utred gutmütig. “ Dreh dich noch einmal zu uns  um und laß dir ins Gesicht sehen. Wie sollen wir denn Freunde werden,  wenn wir nur deinen Hinterkopf kennenlernen dürfen?“Sigurd  schluckte, dann nickte er tapfer und drehte sich um. Als er Utred  freundlich lächeln sah, entschied er sich spontan, ihn zu umarmen. Utred  war ja kein Fremder. Olwig hatte ihm wieder und wieder von ihm erzählt,  bis Sigurd das Gefühl gehabt hatte, den Mann gut zu kennen. Utred  hingegen kannte Sigurd überhaupt noch nicht und war vollständig  überrumpelt, als das Kind die Arme um ihn schlang. „Du bist genauso  nett, wie Olwig immer gesagt hat.“ „Ehm…“ Utred fehlten wieder die Worte.Gerwald  kam jetzt mit dem Tee. „Da bin ich aber erleichtert“, sagte er, als er  Sigurd so sah, und nickte Errold und Utred herzlich zu ehe er sich einem  anderen Patienten zuwendete.  Die  ganze Aufregung hatte den Jungen erschöpft. Er wurde bald schläfrig,  nachdem er den Tee getrunken hatte. „Wir gehen dann wieder“, sagte  Errold.  Sigurd sah zu ihm hoch: „Olwig hat mir davon erzählt, wie du  mal deiner alten Lieblingsamsel das Revier verteidigt hast, indem du ihn  nachgeahmt hast als ein Nebenbuhler auftauchte.“ „Davon wißt ihr?“  fragte Errold verblüfft. Sigurd mußte lachen. „Oder der verregnete  Sommer, als du die drei Eulenkinder aufgezogen hast, die dich dann für  ihre Mama hielten und dir hinterhergestolpert sind. – Ich mag dich,  Errold. Nimmst du mich mal mit in den Wald und zeigst mir die Vögel,  wenn wir zu Hause sind?“ „Ehm…“ Errold hatte nicht erwartet, daß es ihm so ergehen würde, wie Utred.“Ich…  bin auch ganz leise“, sagte Sigurd, nun kleinlaut, da Errold nicht  gleich antwortete.  „Man braucht keine zwei Hände, um sie zu sehen, ich  will sie ja nicht schießen.“Errold  schüttelte den Kopf, als ihm klar wurde, wie der Junge sein Zögern  auslegte. „Das habe ich nicht gemeint, darum mach dir keine Sorgen.  Natürlich kann ich dich zu den Tieren bringen.“ Sigurd lehnte sich zufrieden an Olwig an. „Ich freu mich drauf,“ murmelte er, während ihm die Augen schon zufielen. Beide Männer machten sich zum Aufbruch bereit und Olwig musterte sie unsicher.“Wir  sollen dir noch ausrichten, die nächsten paar Tage wird es der Captain  nicht schaffen, dich zu besuchen,“ sagte Utred leise, ehe sie gingen.  „Der König schlägt dort oben Lager auf und Aerdan muß Transporte dorthin  organisieren.“
Sigurd  ging es von Tag zu Tag besser. Er hatte begonnen, Gerwald zur Hand zu  gehen, ihm Kleinigkeiten anzureichen oder seinen Patienten Gesellschaft  zu leisten. Abends war er dann aber immer noch so erschöpft, daß er  sofort nach dem Essen einschlief. Durchschlafen konnte er leider immer  noch nur an Olwigs Seite. Das eine Mal, daß er in Gerwalds Nebenraum  eingeschlafen war, war er später hochgeschreckt und untröstlich gewesen,  als Olwig nicht bei ihm war. Gerwald meinte, es käme von dem Schock,  den er erlitten hatte, und es würde sich mit der Zeit wohl geben.“Gut,  daß er dich hat“, hatte Gerwald gesagt. ‚Gut, daß ich ihn habe‘, hatte  Olwig gedacht. Sigurd schlief jetzt und Olwig weinte still, um ihn nicht  zu stören. Aerdan war wirklich nicht gekommen und das hatte ihm  deutlich gemacht, wie sehr er die Gesellschaft  des Jungen brauchte.  Wenn Aerdan nicht kam, kam niemand sonst. Das wußte und verstand er ja.  Aber er hatte begonnen, alles Gute zu erinnern, was er über die Männer  wußte. Und nur das, ohne die schlechten Seiten, um täglich die Neugier  des Kindes befriedigen zu können.Sigurd  mochte Errold und die anderen, und Olwig war klargeworden, was er all  die Jahre versäumt hatte. Schlimmer noch, durch die Augen des Jungen  hatte er sie selbst nun gern und gerade im Augenblick vermisste er etwas  schrecklich, daß es so nie gegeben hatte. Er wünschte so sehr, es käme  doch außer Aerdan jemand um seinetwillen hierher um nach ihm zu sehen.  Ihm war aber auch klar, daß von ihnen umgekehrt nicht ein einziger gute  Erinnerungen an ihn hatte und daß nicht geschehen würde, was er sich  wünschte. Der  Stoff an seiner Wange fühlte sich inzwischen unangenehm an und er wandte den  Kopf, schloß die Augen und presste die Stirn tiefer ins Kissen. ‚Du  weinst um etwas, das es nie gab, und du hast kein Recht, es zu erwarten,  also hör auf damit,‘ sagte er sich. 
Errold  stand unschlüssig am Lager. Es war spät geworden, ehe er sich  entschlossen hatte, herzukommen. Gerwald hatte ihn schweigend  durchgewinkt.Zuerst  hatte er geglaubt, daß beide schliefen, und wollte schon wieder gehen.  Dann aber hatte er begriffen, wie es Olwig erging und nun nagte er  betroffen an seiner Unterlippe und war sich nicht sicher, ob er ihn  ansprechen sollte, oder ob es nicht gerade in dieser Situation besser  war, sich leise zurückzuziehen.Sein  Mitleid gewann die Oberhand. Er zog sich einen Hocker heran. „Olwig“,  sagte er leise und legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter. „Hast du  Schmerzen? Soll ich jemanden holen?“Ein  langer Seufzer und dann ein leichtes Kopfschütteln. „Errold?“ Die  geflüsterte Frage war kaum zu verstehen. „Warum bist du… schickt dich  Jurlen?“ „Nein. Ich wollte mit dir reden.“      Das  konnte alles heißen, bis hin zu: wir sind entschlossen, dich nicht  zurückzunehmen, und der Junge ist uns egal. Der Tonfall passte aber  nicht dazu. Errolds Stimme hatte warm und freundlich geklungen, auch ein  wenig besorgt, und das überraschte Olwig so, daß er nun doch den Kopf  hob und ihn ansah.  „Wenn es dir gerade nicht gut geht, komme ich lieber  morgen wieder“, schlug Errold vor. Olwig blinzelte und atmete durch.  „Bitte, bleib noch.“  „Gut, wenn du meinst. Und du bist sicher, daß ich nicht jemanden holen soll?“ Wieder  ein Kopfschütteln. Und er schlug die Augen nieder. „Die Zeit wird lang  wenn man nur hier liegt und sich die Gedanken im Kreis drehen“, sagte er  traurig. „Ich erzähle dem Jungen immer von euch, wenn er wach ist. Und  wenn er dann schläft, kann ich nicht aufhören, an euch zu denken. – Mir  tut so vieles leid, Errold.“ „Das  dachte ich mir schon“, entgegnete Errold sanft.  „Vor vielen Jahren  habe ich Chlodhere mal gesagt, er müsse nicht glauben, seine  Familienehre zu verletzen, wenn er dich angemessen zurechtstutzt und er  könne dir ruhig mal die Meinung geigen. Er hat mich angestarrt. „Du  glaubst ich lass ihn gewähren, weil er mein Cousin ist?“ hat er mich  überrascht gefragt. „Nein, Errold. Ich lass ihn gewähren, weil er seine  eigenen Erfahrungen machen muß. Mit ihm zu reden wird nichts bringen.“  „Aber was erhoffst du dir denn?“ wollte ich wissen. Er hat geseufzt.  „Daß er aufwacht. Ich kannte ihn schon als er noch ein Kind war. Es ist  etwas Gutes in ihm, immer noch, davon bin ich überzeugt. Und Aerdan  denkt genauso.“ Damals war ich nicht überzeugt. Aber… wie wir vor ein  paar Tagen hier waren… wir gehen raus, Utred und ich, und sehen uns  an, und… Na, jedenfalls ist Utred dann zu Jurlen und hat ihm gesagt,  daß der Junge auf jeden Fall bleibt, und du besser auch, weil Sigurd es  nie verstehen würde, wenn wir nett zu ihm sind aber nicht zu dir. Jurlen  ist wohl ein wenig ausgerastet. Wir haben ihm etwas Zeit gelassen. Ich  bin dann heute hin und hab ihm das erzählt, was Chlodhere damals gesagt  hat und daß ich glaube, du bist jetzt endlich aufgewacht. Jurlen war  stocksauer. „Chlodhere mußte sterben, damit er endlich aufwacht!“ hat er  gerufen. „Und er wäre ganz schön wütend auf uns, wenn wir wegwerfen,  wofür er sich solche Mühe gegeben hat“, habe ich dagegengehalten. „Er  hat bis zuletzt um ihn gekämpft. Ich gebe zu, ich bin nicht sicher, ob  es gereicht hätte, wenn er nicht dem Jungen begegnet wäre, aber Sigurd  lässt uns ohnehin kaum eine Wahl. Hör auf uns, gib Olwig eine Chance.“  Errold machte eine kurze Pause und schüttelte den Kopf. „Ich dachte,  Jurlens Augen fallen raus. Aber dann hat er sich beherrscht. „Denk  an Aerdan. Er überlässt uns die Entscheidung, ja, aber es würde ihm  ganz schön wehtun, wenn wir Olwig jetzt ausstoßen,“ sagte Enskar. Ich  bin ordentlich zusammengezuckt, ich hatte ihn noch gar nicht dort  bemerkt. Jurlen schnaufte. „Enskar liegt mir auch schon in den Ohren,  seit er mit dem Arzt gesprochen hat. – Gut, ihr sollt euren Willen  haben“, hat er gesagt. – Das wollte ich dir eigentlich nur sagen, Olwig,  daß du dir keine Gedanken zu machen brauchst, du kannst wieder zu uns stoßen und der Junge erfährt’s zumindest nicht von uns, was war. Und ein paar von uns sind sogar ganz zufrieden damit.“  Olwig  zitterte und sah Errold aus großen Augen an. „Vielleicht“, sagte der  jetzt, „hätte ich dir das anders sagen sollen… sei’s drum, lass uns so  tun, als sei der Olwig, den ich nicht ausstehen konnte, auf dem  Pelennor geblieben. Der, der zurückgekommen ist, den kenne ich noch  kaum, würde ihn aber gern besser kennenlernen. Was meinst du?“ „Ich  meine“, sagte Olwig leise,“ daß man das leider nicht trennen kann. Es  gibt keine zwei von mir, und auch wenn ich mich ändern möchte: Ich  bleibe ich, ich behalte alle meine Erinnerungen und meine Taten sind  auch nicht ausgelöscht. Du solltest mir deine Freundschaft nicht  anbieten, wenn du damit nicht zurechtkommst. Der alte Olwig ist nicht  tot, mit dem muß ich leben.“ Errold seufzte und nickte dann. „Verstehe.  Ist sicher nicht einfach. Lass mich dir  helfen, Olwig. Komm, gib mir die Hand drauf: von jetzt an versuchen wir,  es besser zu machen.“  Da  er Sigurd im gesunden Arm hielt, blickte Olwig auf seine Rechte, die  bis eben in die Decken verkrampft gewesen war, öffnete sie zu Errold hin  und sah ihn immer noch ungläubig an, auch noch, als Errold die Hand  genommen und seine zweite darum geschlossen hatte. Etwas Seltsames  geschah. Von den Händen breitete sich eine angenehme Wärme in seinem  ganzen Körper aus. Er war froh. Freude, er konnte wieder Freude empfinden! Er lachte  und seine Augen leuchteten. „Errold, danke.“ „Nichts zu danken.““Doch,  oh doch. Jetzt…  ist der Krieg erst wirklich für mich vorbei… ich  hing irgendwie… bis eben noch darin fest. Danke, daß du an mich  gedacht hast. Danke, daß du hergekommen bist. Danke, danke, danke! Für  alles.“
Errold  verließ das Zelt erst sehr viel später, nachdem sie geredet hatten und  nachdem Olwig endlich friedlich und ruhig geschlafen hatte und nachdem  Errold still dabeigesessen und über alles noch lange nachgedacht hatte.
Aerdan,  als Jurlen ihn darauf ansprach, was sie beschlossen hatten, war sehr  stolz auf seine Männer. Er konnte sich also doch darauf verlassen, daß  sie schon das Richtige tun würden. Gut und immer besser!
Sigurd  freute sich, daß Errold und Utred und dann auch Enskar, Svanten und  Bjorne in den nächsten Tagen immer mal wieder vorbeikamen. Seit er kein  Fieber mehr hatte und der Arm und die übrigen kleineren Verletzungen  verheilten ging es ihm inzwischen besser als Olwig, dessen viele  gebrochene Knochen und innere Verletzungen problematischer gewesen waren  und der sich immer noch nicht wieder auf den Beinen halten konnte.  Gerwald hatte gerade erst begonnen, das Aufstehen mit ihm zu üben.Es  kam nur noch gelegentlich vor, daß Sigurd sich weinend zu Olwig  flüchtete, weil etwas mit der Hand nicht so ging, wie er sich das  vorgestellt hatte. Nicht nur Olwig, auch die anderen bekräftigten ihn  immer wieder darin, nicht aufzugeben, wenn etwas nicht gleich klappte.  Enskar hatte inzwischen einen Schutz gebastelt, der zudem die  Möglichkeit bot, etwas daran zu befestigen oder einzuhaken. Osric war  nur einmal dagewesen, um die Maße des Jungen zu nehmen. Sigurd trug noch  immer das Hemd, das man ihm nach der Operation angezogen hatte und das  er mit einem Seil zusammenhielt. Darüber zog er, wenn er im Zelt  unterwegs war, die alte Jacke, die jemand nicht mehr benötigt hatte.  Seine Hose war noch immer die, die er auf dem Pelennor getragen hatte,  und die Hosenbeine waren zerrissen. Seine Socken und Schuhe…  indiskutabel. Bisher hatte er sie nicht so benötigt, aber nun… Enskar  arbeitete gerade ein Paar Stiefel für ihn um, während Osric es  übernommen hatte, Kleidung anzupassen. Es war erst Anfang April und oft  noch bitterkalt und nass. Sie konnten ihn unmöglich so wie er war  ausserhalb des Zeltes herumlaufen lassen, und das war aber genau, was er  sich wünschte. Er wünschte, zu ihnen in ihr Lager zu gehen, die anderen  und besonders Eldac und die Pferde zu sehen, und sie gaben sich alle  Mühe, seinem Wunsch zu entsprechen.
Etwas später:“Sei  nicht traurig, Junge. Ildin ist ein wildes Roß, seit er seinen Herrn  auf dem Pelennor verloren hat. Er beißt auch nach mir.“  Eldac krempelte  den Ärmel seines Helfers wieder herunter, nachdem er sich überzeugt  hatte, daß der Angriff des Hengstes glimpflich ausgegangen war. „Wir  müssen sein Vertrauen wiedergewinnen. Ich arbeite dran, es war schon  schlimmer. Du mußt ihn gut im Auge behalten und reagieren, ehe er die  Geduld verliert. Striegele ihn oder füttere ihn, solange er es duldet  und dann ganz schnell zurückziehen, wenn sein Gesichtsausdruck sich  ändert. – Er ist aber auch eigentlich nicht deine Aufgabe, Sigurd. Ich  kümmere mich um ihn. Striegele du die beiden Füchse dort drüben und geh  ihm aus dem Weg.“ Sigurd ließ den Kopf hängen und machte keine  Anstalten, zur Bürste zu greifen. „Ich weiß nicht. Vielleicht sollte ich  es besser lassen. Es wird soundso nie ein Pferdeknecht aus mir. Ich  kann keine Mistgabel halten. Zumindest nicht mit Mist dran. Und beim  Satteln habe ich dir schon zweimal das Leder verzogen, als mir die  runtergekracht sind, ich kann die schlecht heben. Und bis ich mal die  Schließen zu habe beißen die Pferde mich ungeduldig. Du kannst das alles  viel besser!“Er  runzelte die Stirn und guckte böse, als Eldac lachte. Daraufhin lachte  der noch mehr. „Du siehst durchaus, wie grau mein Bart ist, oder?  Glaubst du, ich schleppe noch den ganzen Mist allein? Dafür haben wir  Leute. Und das übrige… Es braucht Zeit, Junge, bis man einiges so kann  wie ich. Ildin hat dich gebissen, ja, aber den hättest du auch noch gar  nicht zu satteln versuchen sollen. Ich habe bald eine Herzattacke  bekommen, als ich es gesehen habe. Es grenzt schon an ein Wunder, daß du  ihn überhaupt aufgehalftert und angebunden bekommen hast. Wie hast du  das angestellt?“ Sigurd  schmollte noch immer. „Wie schon. Mit Tricks, geht ja nicht anders. Ich  hab ihm einen Apfel hingehalten, daß er kommt. Dann hab ich das Halfter  über einen Futtereimer mit etwas Hafer drin gehalten, daß er von selbst  durchschlüpft. Und als der Kopf unten war brauchte ich nur eine Hand um  es zu schließen, da stand er ja still. Anbinden ging auch noch, folgen  tut er ja. Aber angebunden stehenbleiben, das wollte er gar nicht.“  Jetzt blinzelte er ärgerlich Tränen fort. „Ich kann ihn nicht halten  wenn er nicht will, da fehlt die Hand! – Lass das!“ rief er, als Eldac  wieder lachte. „Da fehlt auch die Kraft,“ sagte Eldac. “ Und einem  ausgewachsenen Mann würde es genauso gehen, wie dir. Man kann ein Pferd  nicht halten, wenn es wirklich nicht will, das solltest du doch wissen.  Du machst das schon ganz richtig mit Ildin. Das, was du Tricks nennst,  brauchst du, um sie auszubilden. Du brauchst Ideen und Mut, beides hast  du. Du kennst dich mit Kräutern aus, weil Gerwald sie dir gezeigt hat,  und warst mir eine große Hilfe, als wir der Stute vorhin den Aufguss  gemacht haben. Hattest du Probleme, einen Eimer zu füllen und  herzutragen? Oder darauf zu warten, daß sie dir ihren Huf gibt, daß du  ihn hineinstellen kannst? Nein.  Du bist viel zu schade zum Mist  schaufeln, Sigurd. Lass das andere tun, überlass den Hufbeschlag dem  Schmied, vergiss das. Sie beißen dich und werden ungeduldig, was für ein  Blödsinn! Außer Ildin waren sie alle sanft und fügsam bei dir. Sie  kommen zu dir. Du kannst viel mehr von mir lernen als Ausmisten, lass  dir das gesagt sein. Und nun mach dich an die Füchse, sonst werde ich ungeduldig.“Der  Abend kam früh und mit Nebel, dessen Schwaden zwischen den Zelten  hindurchzogen. Eldac ging eine letzte Runde, um sich zu vergewissern,  daß alle Tiere an ihrem Platz waren und zog hier und da noch einen  langen Halm Stroh aus  der einen oder anderen Mähne. „Sigurd?“  Beinahe wäre er an ihm vorbeigegangen, so still hockte der Junge auf  einigen Kisten neben einem Wagen. „Wolltest du nicht längst auf dem  Rückweg zu Olwig sein?“ „M-hm.““Was machst du dann noch hier?Er  deutete mit dem Kopf auf die Pferde. „Ich sehe ihnen zu. Ich höre zu,  wie sie fressen. Das klingt wie daheim, beinahe. Aber wir hatten Kühe.“Eldac setzte sich zu ihm. „Du vermisst deine Leute.““Immer“,  gab Sigurd zu. „Es gibt euch alle jetzt, zum Glück. Das ist gut. Aber  manchmal, wenn es still wird, denke ich an früher. Wir hatten zwei  Pferde und viele Kühe.““Soll ich dich zu Elfhelm’s Lager begleiten?““Würdest du? Du bist sonst nicht hingegangen, du warst immer hier.““Ich  habe gerade etwas Zeit. Komm.“ Er wartete, bis der Junge sich  aufgerappelt hatte und neben ihm stand. Gemeinsam schlugen sie den Weg  zu Gerwalds Zelt ein. „Heute war es schön bei dir“, sagte Sigurd. „Es  ist immer schön bei euch, aber heute war es besonders gut.“ „Und dabei dachte ich schon, heute hätte ich dich verloren. Wegen Ildin.““Ich  mag Ildin. – Eldac, wie ernst hast du das gemeint, daß du mir etwas  beibringen kannst? Ich brauche doppelt solange wie andere, ein Pferd zu  versorgen. Meinst du, ich könnte trotzdem mit ihnen arbeiten, später?  Ich würde so gerne.““Meinst du denn, daß du es kannst?““Als  ich den Sattel für Ildin geholt habe, war ich mir noch ganz sicher.  Später dann nicht mehr so. Aber wenn du sagst, das braucht nur  Zeit…?“ „Meiner Erfahrung nach ist das so.““Olwig  sagt, du kümmerst dich um Clivings Herden. Du suchst aus, welche Pferde  für welche Arbeiten ausgebildet werden, welche verkauft werden oder auf  jeden Fall bleiben. Hast du das gemeint, mit dem, was du mir beibringen  willst? Wie man merkt, welches gut für was ist?“ „Das, ja. Aber ich denke, in dir steckt noch mehr. Wir werden sehen. Magst du es denn mit mir vesuchen, Sigurd?““Ich mit dir? Du würdest wirklich mir deine Zeit opfern?“Eldac  lachte wieder. „Das wäre wahrlich kein Opfer. Aber bedenke: Ich bin  nicht immer nur nett. Vor allem werde ich wenig Rücksicht darauf nehmen,  ob du eine Hand hast oder zwei. Wenn sie für deine Aufgabe nicht  unbedingt vonnöten ist, erwarte ich, daß du erledigst, was ich dir  auftrage. Und ich erwarte, daß die Pferde für dich wichtiger sind, als  deine Bequemlichkeit. Wir arbeiten manchmal lange, bis in die Nacht,  auch im Winter. Und du wirst weiterhin lernen müssen, womit Gerwald  angefangen hat, denn oftmals wirst du Krankheiten behandeln müssen.“ Eldac  biß sich auf die Lippen ehe er fortfuhr. „Dafür hat nicht jeder  Geschick. Bodhred war gut darin. Ich hatte ihn zu meinem Nachfolger  ausgebildet, weißt du? Aber Bodhred wird nie wieder mit mir durch die  Ställe gehen. Die Stute vorhin, Fredla, sie hat ihm gehört. Geol  Taernedden hat einen Lehrling dabeigehabt, der hatte auch Talent. Aber  er ist zum schwarzen Tor geritten. Ich weiß nicht, ob er noch lebt.“  Schweigend stapfte er neben Sigurd weiter, der über das Gehörte  nachdachte.“Ich kann keine Verbände ordentlich gerade anlegen“, sagte er leise.“Du  kannst jemandem sagen, was er zu tun hat“, wischte Eldac diese Bedenken  fort. „Es braucht nicht nur die Hände, Junge. Es braucht vielmehr den  Verstand, etwas zu erkennen, die richtige Auswahl zu treffen, die Tiere  zu verstehen.““Ich  werde dir Bodhred aber nicht ersetzen können. Und es wird noch viele  Jahre dauern, bis ich weiß, was er wußte.  Und ich möchte in all der  Zeit nicht mit jemandem wetteifern müssen, der nichtmal mehr da ist.“ Eldac  sah ihn von der Seite her an und Sigurd blickte zurück und blieb  stehen. „Ich möchte lernen, mit Pferden zu arbeiten. Mehr nicht.“ „So soll es sein“, erwiderte Eldac.
Noch später:“Sigurd,  nein! Du gehst mit Eldac, er braucht dich für die Pferde.“ „Aber…“  „Ich will nichts mehr davon hören. Du kommst nicht mit und Ende! – Und  sieh mich nicht so an: Ich sage das nicht wegen deiner Hand, sondern  weil du erst 11 Jahre alt bist, Kind! Wir reiten in gefährliches Gebiet,  da hast du nichts zu suchen“, knurrte Aerdan. „Meinst du, ich kann  ständig einen meiner Männer abstellen, daß er auf dich aufpasst?“ Sigurd  hob stur das  Kinn. „Ildin passt auf mich auf. Ich habe ja gar nicht  vor, zu Kämpfen mitzugehen, da bleibe ich dann zurück.“Aerdan  schnaufte entnervt. „Was diskutiere ich hier eigentlich noch? Ildin mag  ein schlaues Pferd sein, aber er ist nur ein Tier, er kann dich nicht  gegen alles verteidigen, das dich finden könnte, selbst, wenn du bei  Kämpfen zurückbleibst. Es lässt sich nicht alles planen, Sigurd. Geh,  verabschiede dich von Olwig.“Jegliche  Sturheit war wie weggewischt. Es war weniger Mut als vielmehr Furcht,  was Sigurd antrieb, mit in den Osten zu wollen. Sein Arm war verheilt.  Er lernte immer besser, damit umzugehen und er wußte, was er gegen die  Schmerzen nehmen konnte, die ihn hin und wieder plagten. Aber immer noch  überkamen ihn manchmal Angstattacken. Dann sah er sich minutenlang  wieder auf dem Pelennor. Ildin, so sehr er ihn liebte, half dann wenig,  und Eldac auch nicht. Aus so einer Stimmung konnte ihn nur Olwig  herausholen. Er wollte jedoch Olwig nicht zur Last fallen, und Aerdan  auch nicht, also nickte er, biß sich auf die Lippen und schlich aus dem  Zelt.Beinahe  wäre er mit Orahan zusammengestoßen. „Ah, der Junge, der die Pferde  versteht,“ sagte der lächelnd. Vor wenigen Tagen hatte er Sigurd im  Einsatz beobachten können. Shem, ihr Heiler, war hochgradig unglücklich  gewesen mit dem Pferd, das er im dunklen Land erbeutet hatte. Es hatte  ihn zwar hierher getragen, aber es war deutlich zu sehen, daß es mit  seinem neuen Herrn ebenso unglücklich war. Es war ein knochiges, scheues  Geschöpf, das in ständiger Furcht vor allem lebte und am liebsten stets  die Flucht ergriffen hätte. Solche Eskapaden endeten zumeist damit, daß  Shem es geduldig wieder aufspürte, es dann mit sanftem Druck  unnachgiebig hinter sich herschleifte und beide sehr mißmutig  dreinschauten, wenn sie wieder im Lager waren. Lorron hatte angeboten,  ein neues Pferd für Shem zu suchen und schließlich war die Aufgabe,  eines auszuwählen, auf Sigurd gefallen. Der hatte nur ein paar Worte mit  Shem gewechselt und dann nicht lange gebraucht, da er sofort wußte,  wonach er zu suchen hatte. Er hatte ihm eines der Zugpferde gebracht,  das vorm Wagen immer wieder Ärger machte, weil es sich schlicht, wie  Sigurd fand, langweilte. Der Wagenfahrer beschrieb es als bösartig und  hinterhältig, aber zäh. Sigurd hätte es eher schlau, stark und mutig  genannt.  Er hatte eine gute Wahl getroffen. Shem und der Gaul  verstanden sich auf Anhieb. Schon am nächsten Tag hatte das kräftige  Tier begriffen, was Shem von ihm erwartete und begrüßte ihn morgens mit  einem Schnauben. Shem war glücklich, und das wiederum machte seinen Clan  glücklich.“Was  ist mit dir?“ fragte Orahan nun, als er sah, wie Sigurd sich hastig an  ihm vorbeidrücken wollte, ohne richtig aufzusehen. „Alles in Ordnung?““Ja“,  sagte der Junge knapp. „Mich ärgert nur, daß ich nicht mitdarf mit  euch, weil ich noch ein Kind bin.“ „Oh“, machte Orahan, und legte  nachdenklich die Hand ans Kinn. Aerdan’s Miene verfinsterte sich. Er  trat näher. „Ich dachte, du hättest es verstanden, Sigurd.“ „Das  habe ich, Captain. Aber darf ich mich nicht trotzdem ärgern? Ich hätte  euch bestimmt auch nutzen können und nicht nur Mühe gemacht.“ „Du hast gar nichts verstanden. Es ist zu gefährlich, um Mühe geht es nicht!“Orahan  stimmte Aerdans Worten zu. „Unser Weg wird nicht einfach und es ist  ungewiss, was wir am Ziel finden, da hat der Captain Recht“, sagte er. Aerdan nickte zufrieden.“Umso  mehr könntest du uns vonnutzen sein“, fuhr Orahan lächelnd fort, „denn  da wir nicht wissen, was kommt, könnten es durchaus deine Talente sein,  die wir brauchen können.“           „Was? Das meint ihr nicht im Ernst!“ fuhr Aerdan auf.                   „Und  wieso nicht?“ fragte Orahan. „Wieso sollte ich angebotene Hilfe  abweisen, nur weil derjenige noch sehr jung ist? Er hat bewiesen, was er  kann. Sicher, er kann vieles nicht, aber das, denke ich, wird Shem  schon ausgleichen. Er wird nicht zulassen, daß seinem jungen Freund ein  Leid widerfährt.““Und wenn er es nicht verhindern kann?““Dann“,  sagte Orahan einfach, „war es wohl nicht zu verhindern. Der Junge  meint, es ist der Weg, den er gehen muß. Ich sage, lasst ihn ihn gehen.  Wir geben Acht auf ihn und ihr werdet sehen: in drei Tagen seid ihr  froh, daß wir ihn dabeihaben. Sobald das erste Pferd Probleme macht.“  Sigurd sah Aerdan nun so eindringlich und erwartungsvoll an, daß dieser die Hände in die  Luft warf. „Ach, macht doch, was ihr wollt!“ Sigurd jauchzte auf, umarmte Aerdan kurz und rief beim Hinauslaufen: „Danke! Ich sag’s Olwig!“ Der  war sich nicht sicher, ob er sich freuen sollte über diese Nachricht,  oder nicht. Er war drauf und dran gewesen, die Gruppe doch noch zu  verlassen und mit Sigurd nach Cliving zu gehen, auch, wenn er lieber mit  den anderen in den Osten geritten wäre. Das konnte er nun zwar tun,  aber… Rulavan und der König konnten sagen, was sie wollten: daß es  ausgerechnet Ostlinge waren, die ihm für Sigurds Sicherheit  garantierten, störte ihn doch. Ja, diese waren auf ihrer Seite. Aber  gerade wenn er Männer wie Shem sah, schmerzten ihn seine frisch  verheilten Knochen wieder bei der bloßen Erinnerung. Er wollte einen  Einsatz, wollte seinen Platz in der Gruppe finden. Auf die Art des  Einsatzes hätte er aber dankend verzichten können. Und es war furchtbar  unvernünftig, das Kind mitzunehmen. ‚Ach,  sei’s drum,‘ dachte er aber schließlich, als er in Sigurds zufriedenes  Gesicht sah. Der Junge hockte vor einem Rucksack und stopfte gerade  seine wenigen Habseligkeiten hinein.  ‚Er  will es so. Und er wird nicht das einzige Kind sein.  Ein paar wenige  aus Orahans Clan sind kaum älter gewesen, als man sie verschleppt hat.  Vielleicht war Orahan deshalb nicht dagegen, weil er weiß, daß die Jungen soundso  gemeinsam unterwegs sein werden, auf der Reise.‘
(1 Monat später kommen Krieger und König zur Krönung zurück. Lorron (oder Bynstan gleich mit nach Cliving) nimmt Eldac Horsemaster mit sich gen Edoras samt der Tiere die von ihm geheilt wurden. Ranulf: entscheidet sich, doch mit Lorron’s Gruppe zu gehen, aus verschiedenen Gründen.Lorrons Gruppe: Tjoren, Ranulf, Seren, Runen, Leochtmar, Jarmun, Jarl, Alden, Hereward, Ormund, Jorrig, Eldac … In Edoras: zuviel zu erledigen, als daß der König sie nach Cliving schicken könnte. Bleiben bis Ende August in Eomers Dienst, zwischendrin Lorron und Eldac heim.
Aerdan bricht ab ca 10.5. nach Osten auf. Seine Gruppe enthält:Jurlen, Olwig, Errold, Osric, Enskar, Utred, Svanten, Wigbald, Bjorne, Gerich…Rulavan, (später Jestim), Haram, Vilheith, Gerfrith, Ealdwine, Woldmer, Kjelland…
