Juli 2997

Damals. 2997, Juli

Ablauf: überfallene Farm, keine Hinweise auf Täter, Männer tot, Frauen und Kinder vermisst. Eagan findet Trail, führt zu weiterer Farm. Sie folgen. Unterwegs Abzweig, Eagan meint, Gruppe habe sich geteilt, aber Spuren sind so verwischt worden, er kann nichts Genaues herausfinden. Folgen augenscheinlich größerer Gruppe, schicken kleinere Abordnung kleinerer Spur nach, Eagan bei denen weil schwerer zu finden. Verabredeter Treffpunkt letztes Lager.
Kampf an zweiter Farm gegen Ostlinge, gewinnen Kampf, Aswig und andere aber verletzt, keine Gefangenen, da hartnäckige Gegner. Rückzug ins Lager.
Eagan mehrfach gefordert, jemand hat meisterhaft falsche Fährten gelegt. An einer Stelle bemerkt er zu spät eine Falle, Tevnan gerät hinein, Ludmar bleibt bei ihm zurück, ihn ins Lager bringen, andere herlotsen. Eagan, Skalden, Rulavan und Foftron weiter. Bald wird klar: sind über Fluß, wahrscheinlich Ostlinge. Nehmen Furt hinüber. Wieder unklare Spurenlage. Eagan flucht und entschließt sich, die Gruppe nochmal zu teilen. Er selbst nimmt die wahrscheinlichste Richtung, Foftron und Rula schickt er den Weg, auf dem er nichts erwartet. Sollen umkehren, wenn es klar falsche Fährte ist, zu ihnen zurück oder Verstärkung holen, wenn nicht. Schärft er ihnen extra ein. Sind ja im Niemandsland und es ist unklar, wann Geol wieder folgen kann. Nicht zu weit vordringen, nur abklären und zurück.
Rula und Tron finden sterbende alte Frau. Sie sagt ihnen, daß die fremden Krieger die Männer gnadenlos getötet haben. Den Gefangenen wurde (in schlechter allgemeiner Sprache) gesagt, daß die Frauen den Kriegern zum Preis gehören sollten, man die Kinder aber opfern wolle um Glück im Feldzug gegen andere nomadische Clans der Gegend zu erhalten. Die beiden alten Frauen ließ man zum Sterben zurück, eine schon drüben, auf der anderen Seite. Foftron sieht rot, als er das hört und ihm dann noch die Alte unter den Händen stirbt. Rulavan kann ihn mit Mühe zurückhalten, sich auf das immer noch triefnasse Pferd zu schwingen und kopflos loszupreschen. „Siehst du denn nicht, daß das eine Falle ist? Tron! Nicht!“ Foftron atmet mehrmals durch und seine Hand krampft sich um die Zügel der Stute. „Tron, sie haben es extra für die Gefangenen deutlich gesagt und dann die beiden Alten für uns zum Finden zurückgelassen, da bin ich sicher, sonst hätten sie sie getötet und nicht…. so zugerichtet. An welche Gottheit die auch immer glauben… eine, die das Kriegsgeschick lenkt, die akzeptiert doch keine Kinder als Opfer…. Krieger… ja, das eher. Und indem sie uns das mit den Alten und den Kindern und den Frauen vorsetzen, was erreichen sie da? Wir alle fröhlich hinterher…“ Rulavan schüttelt energisch den Kopf. „Aber ersticken sollen sie an ihrer eigenen Schläue! Grad dadurch, daß sie die Frau hier zurückgelassen haben, wird das mit der Falle deutlich. Komm, wir sagen Eagan Bescheid und holen Captain Taernedden, er wird schon wissen, wie er ihnen beikommt.“ Rulavan hat sich bereits auf sein eigenes Tier geschwungen und ist ein paar Schritte den Fluß hinabgeritten, als ihm klar wird, daß Foftron ihm nicht folgt. Er hält an und sieht ihn ihm zuwinken, dann die Stute auf die Fährte der Gegner setzen. „Was um alles…!“ Eilig galoppiert er ihm nach. „Was denkst du, was du hier tust? Hast du mir nicht zugehört?!“ schreit er ihn an. Foftron hält den Kopf gesenkt. „Ich habe dich gehört, Rula. Reit zurück, reit‘ zu Eagan, hol den Captain. Aber ich muß diesen Weg gehen.“ „Aber… aber warum…? Das wollen sie doch!“ Foftron hält an und schaut ihn direkt an. „Natürlich. Aber weißt du, wie weit Eagan schon fort ist? Weißt du, wie weit unser letztes Lager von hier ist? Auf der anderen Seite des Flusses? Es vergeht zuviel Zeit, Rula. Die Alte hat es deutlich gesagt. Zum Vollmond werden sie das Ritual durchziehen, und das ist heute Nacht. Haben sie dafür Krieger: schön und gut. Und wenn nicht? Und was ist mit den Frauen, sobald die Kerle ihr Ziel erreicht haben? Für alle die Menschen von der Farm, selbst wenn Captain Taernedden danach jeden einzelnen von denen erwischt: Für all die kommt er zu spät. Er schafft es nie bis heute Nacht. Hol ihn. Ich werde sehen, was ich tun kann, um die Kerle bis dahin aufzuhalten.“ „Das wirst du nicht!“ Rulavan greift ihm ins Geschirr. „Wir wissen doch gar nicht, was dran ist an dem, was die Alte gesagt hat. Wir wissen nicht, ob sie den Kindern überhaupt etwas antun. Vielleicht wollen sie sie mitnehmen und heute Nacht geschieht nichts, ausser, daß sie schlafen und der Captain kommt sehr wohl noch zur rechten Zeit. Wir wissen es nicht!“ Foftron schaut ihn nachdenklich an und scheint einzulenken. „Du hast Recht.“ Rulavan atmet auf. „Dann lass uns jetzt…“ Foftron unterbricht ihn. „Mit etwas Glück gelange ich dorthin, sehe, daß die Gefangenen nicht in Lebensgefahr sind und kann abwarten. Aber solange wir nicht sicher sind, ob den Gefangenen nicht die Zeit davon läuft… wir sind die Einzigen, die nah genug sind, um etwas zu unternehmen. Ich muß dorthin, Rula.“ Rulavan beißt die Zähne zusammen und schluckt einige Male. Noch immer hält er Foftrons Zügel. „Du magst ja Recht haben… aber was können wir zwei schon ausrichten?“ Foftron runzelt die Stirn. „Mir wird schon etwas einfallen. Ich habe nicht vor, mich offen in ihr Lager zu stürzen. Nun lass schon los und reite zu Eagan.“ Rulavan schüttelt den Kopf. „Bei dem Irrsinn lasse ich dich nicht auch noch allein reiten. Eagan wird merken, daß er der falschen Fährte folgt. Er wird den Captain benachrichtigen. Die kommen uns auch nach, ohne daß ich zurückreite.“ Foftron studiert das Gesicht seines besten Freundes. Er kennt ihn lange genug, um zu wissen, daß er ihn nicht umstimmen wird, genausowenig, wie es Rulavan gelänge, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. „Gut. Dann eben zusammen,“ sagt er. Rulavan gibt dem Pferd den Kopf frei und sie machen sich auf den Weg. „Das ist SO deutlich eine Falle“, murmelt er nach kurzer Zeit. „Wie wollen wir merken, wann wir abbremsen müssen? Schau, sie haben sich ab hier gar keine Mühe mehr gegeben, ihre Spuren zu verwischen, damit wir umso schneller dorthin gelangen, wo sie auf uns warten.“ Foftron lacht. „Denk nach! Hier steigt das Gelände stetig an, dort hinten wird es felsig und öd und zerklüftet. Wo würdest du warten? Ehe wir die Felsen erreichen suchen wir ein Versteck für die Pferde und tasten uns vorsichtig weiter.“

Es waren nur wenige Krieger im Lager ihrer Gegner. Die übrigen lauerten den Rohirrim auf, von denen sie hofften, daß sie ihrer Spur folgen würden. Foftron schnaufte wütend, als er sich wieder mit Rulavan traf. „Sie reden über das Ritual heut Nacht. Sie werden sie töten, wenn sie nicht vorher unsere Gruppe erwischen, und sie freuen sich darauf, was sie vorher mit ihnen anstellen werden.“ Rulavan sah ihn unglücklich an. „Ich habe Ähnliches auf meiner Seite gehört.“
„Wir können nicht warten, bis der Captain kommt. Die Gelegenheit ist jetzt günstig, Rula. Vielleicht bekommen wir sie sogar ohne Kampf heraus.“ Rulavan beäugte das Zelt, in dem man die Gefangenen untergebracht hatte, und dessen Lage im Lager. „Vielleicht“, stimmte er zu. „Wenn ich dort drüben (er wies auf den östlichen Ausgang) für Ablenkung sorge. Aber sobald sie merken, daß die Gefangenen fort sind, bricht hier die Hölle los. Und wir werden nicht sie und noch dazu eine Handvoll Pferde unbemerkt herausbekommen, Tron. Wir kommen hier nicht schnell genug weg, selbst, wenn wir sie befreit bekommen.“ „Hmm, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Aber wir müssen es ja gar nicht bis zum Fluß vor den Ostlingen her schaffen. Nur bis weiter in die Felsen hinein. Komm, wir sehen uns an, wie hier die Wege laufen und wo wir ein gutes Versteck finden, daß sich von zwei Männern verteidigen lässt, bis der Morgen anbricht.“
Am späten Nachmittag waren sie zurück. Tron war hochzufrieden, daß er sowohl einen brauchbaren Fluchtweg als auch ein mögliches Versteck gefunden hatte. Ihren Plan hatten sie mehrfach in allen Einzelheiten und mit möglichen Varianten durchgesprochen. Es war gewagt, aber es schien durchführbar. Die Gegner waren zu sehr fixiert auf die Richtung zum Fluß hin, aus der sie die Rohirrim erwarteten. Den riesigen Zweihänder legte er versteckt an ihrem Fluchtweg ab, er würde ihn nur behindern. Tron wartete, bis Rulavan ins Unterholz geglitten und etwas Zeit vergangen war, ehe er sich auf seine Position begab. Dem Zelt der Gefangenen näherte er sich erst, als er hörte, daß Rulavan die Wachen erfolgreich abgelenkt hatte. Nun mußte alles schnell gehen.
Und ihr Plan ging auf.
Rulavan erwartete sie bereits am Rande des Lagers, bereit, eine verletzte Frau zu stützen. Doch da schrie eines der Kleinkinder auf dem Arm seiner Mutter auf, und obwohl die Frau das Geräusch sofort abdämpfte war der Schaden angerichtet. Im Lager wurde Alarm gegeben, viel zu früh, als daß sie unbemerkt ihr Versteck erreichen konnten. Jede Deckung vernachlässigend rannten sie los, denn Foftron wollte wenigstens noch den Engpass ihres Weges erreichen. Die Stelle, die ein einzelner Mann eine Zeitlang gegen eine Übermacht halten konnte.
Es bestand kein Zweifel in seinen Gedanken, daß er dieser Mann sein würde. „Rula, bitte! Zögere nicht, bring sie weiter, ihr müßt das Versteck erreichen, nur dann habt ihr eine Chance!“ Doch Rulavan zögerte. „Sieben Kinder“, sagte Tron eindringlich, „…die viel weniger Jahre erlebt haben als du oder ich. Lauft.“ Rulavan nickte mit zusammengebissenen Zähnen, denn er wußte nichts zu entgegnen, nahm ein kleineres Kind auf den Arm und führte die Gruppe weiter.

Als er die Stimmen und die eiligen Schritte der Verfolger hinter sich hörte, wußte er, daß Tron gefallen war. Er verbiss sich einen Aufschrei. „Ihr müsst euch aufteilen,“ rief er stattdessen den Frauen zu, denn sie hatten das vorgesehene Versteck noch nicht erreicht. „Lauft, flieht weiter, aber jeder in eine andere Richtung. Lauft bergab, Richtung Fluß, oder versteckt euch, wenn ihr ein gutes Versteck findet. Die Dunkelheit kommt bald und ehe es hell wird werden auch unsere Männer hier sein.“
Ohne Zögern nahmen die Frauen die Kinder an die Hand und verteilten sich. Eine verharrte noch kurz bei Rulavan und legte ihm ihre Hand auf seinen Arm. „Danke.“ Dann rannte auch sie. Er blieb. Seine Position war bei weitem nicht so gut, wie es Foftrons gewesen war. Dies Tal war breiter und durch einen allein nicht lange zu halten. Er würde ihnen nicht viel Zeit herausschinden können, in der sie sich verstecken konnten. Und noch war es nicht Abend. Noch war genug Licht, daß die Feinde die Spur der Frauen finden konnten… wenn wenigstens einige entkamen… wenn wenigstens einige solange unentdeckt blieben, bis der Captain da war…
Zum Glück blieb ihm keine Zeit, weiter über das Kommende nachzudenken. Er mußte handeln und ging hinter einem Fels in Deckung, legte das Schwert bereit und spannte den Bogen. Bald müßten die ersten zu sehen sein…
Er kämpfte wie noch nie zuvor in seinem Leben, nunmehr ohne jegliche Rücksicht auf sich selbst. Zwei Pfeile der Schützen, die seine Deckung umgangen und auf ihn geschossen hatten ehe ihre eigenen Krieger so nahe waren, daß dies zu gefährlich wurde, steckten in seiner Schulter und seinem Arm. Er beachtete sie nicht. Eine ihm bis dahin völlig unbekannte Wut trieb ihn an. Tron war gestorben und er würde ihm folgen, aber noch nicht! Noch würde er soviele von diesen Kerlen niedermachen, wie er nur konnte… jeder einzelne, der den Frauen nicht mehr schaden konnte, war ein Gewinn! Manche liefen vorbei an den Kämpfenden, wollten bereits den Fliehenden nach, aber er wirbelte zu jedem herum, den er sah, und hieb nach ihnen. Ganz gleich, was er selbst dafür einsteckte. Hauptsache, er hatte den Gegner zielsicher am Weiterkommen gehindert. Aber sie zogen daraufhin nur einen größeren Bogen um ihn und überließen es ihren Kameraden, es zu beenden. Wille hält einen Mann nur eine gewisse Weile auf den Beinen. Er sackte in die Knie und sah hoch, seinem Gegner in die Augen, das Schwert noch immer abwehrbereit in der Hand, auch wenn er wußte, daß er dessen Schlag nicht würde abwehren können. Doch der Mann verlor das Interesse an ihm. Sein Kopf schnellte hoch und er sprang von Rulavan fort als die Männer, die den Frauen durch das Tal gefolgt waren, schrille Alarmrufe ausstießen, gefolgt von Kampfeslärm. Mit einem Fluch sammelte er die Krieger in der Nähe um sich und rannte los, den anderen zu Hilfe kommend.
‚Der Captain? Wie kann er hier sein? Wie kann er uns hier gefunden haben? Eagan, wie hast du das fertiggebracht?‘ Rulavan hockte keuchend da, eine Hand um den Knauf des Schwertes verkrampft und es als Stütze mißbrauchend, unfähig, sich zu erheben. Er konnte nicht begreifen, was geschah. Ungläubig sah er zu, wie die gegnerischen Krieger schreiend aus dem Tal zurückkehrten, in wilder Flucht vor dem, was hinter ihnen war. Einige waren wohl zurückgeblieben, um die Verfolger aufzuhalten. Es dauerte etwas, die letzten der Krieger waren an ihm vorüber und für einen Moment war es still um ihn, dann jedoch hörte er Pferdehufe auf hartem Boden trommeln. ‚Captain…‘ dachte er. Aber die Tiere, die an ihm vorüberpreschten, waren dunkel, struppig und klein, und dunkel waren auch ihre Reiter. ‚Ein anderer Clan… wir sind mitten in eine Fehde von Ostlingen hineingeraten‘, dachte er und sein Herz sank. ‚Wer auch immer von denen die Oberhand behält, uns hilft das wenig.‘ Er erinnerte sich, daß dort, wo sich das Tal öffnete, mehrere Wege zum Lager führten. Der kürzeste davon war der schmale Durchgang, den Foftron gewählt hatte. Den würden auch die fliehenden Gegner nehmen. Die Berittenen mußten außen entlang. Seine Gedanken nahmen an Fahrt auf. ‚Vielleicht hilft es uns doch… sie werden eine Weile miteinander beschäftigt sein…‘ Jetzt waren auch die berittenen Verfolger fast an ihm vorüber. Noch hatte niemand von ihm Notitz genommen und den Lauf seines Tieres gebremst. Sie wichen den Verletzten aus oder ritten sie nieder. Er drückte sich gegen den Fels in seinem Rücken, hoffend, daß er etwas Schutz vor den Hufen bot und daß sie vorüberzogen. „Daerrod! Führ‘ deine Schar den linken Weg zum Lager!“ befahl jemand ganz in der Nähe. Eine junge Stimme, und er erkannte sie. „Orahan…“
Sein Ruf war zu leise, als daß Orahan ihn gehört hätte. Sein Freund trieb sein Tier an dem Felsen vorbei ohne ihn zu bemerken, seine Leute teilten sich in zwei Gruppen und verschwanden bald aus Rulavans Blickfeld. Wieder wurde es still um ihn. Er blinzelte und begann zu begreifen, daß er überlebt hatte. Einige seiner Wunden bluteten arg, und er machte sich daran, sie notdürftig zu verbinden. Unschlüssig sah er das Tal entlang und dann dorthin, wo Orahan verschwunden war. ‚…muß zu den Frauen… müssen weiter, solange die hier beschäftigt sind…hoffentlich…. hoffentlich gewinnt Orahan, hoffentlich haben der Überfall und Tron und ich sie schon genug Leute gekostet und Orahan macht alle nieder…‘, dachte er. Aber er wußte es nicht. Und er fand kaum die Kraft, aufzustehen. ‚Bin den Frauen keine Hilfe… behindere sie nur…. Orahan ist keine Gefahr für sie, aber das wissen sie nicht… und er weiß nicht, daß sie hier sind, wer sie sind… muß…. muß zu ihm, er muß… er muß sich um sie kümmern, wenn er kann. Sie sind doch auch verletzt und erschöpft. Sie werden seine Hilfe brauchen. Und wenn die anderen gewinnen… ist soundso alles zu spät.‘ Mühsam kämpfte er sich auf die Füße und wankte den Weg entlang, den er gekommen war, vorbei an Männern, die er getötet hatte oder die Orahans Kriegern im Weg gewesen waren. Aus der Richtung des Lagers drangen Schreie. ‚Bis ich dort angekommen bin, ist der Kampf entschieden‘, dachte er, stützte sich an einem Fels ab und wartete, daß sein Schwindelgefühl nachließ und er weiterkonnte.
Ihn schauderte, als er die schmale Schlucht erreichte. Orahan war auf der anderen Seite und der Weg außen herum war weit. Sicher war jetzt niemand am Ausgang postiert, aber irgendwo dort drinnen… ‚Selbst, wenn ich nicht mehr bis zu Orahan durchhalte‘, dachte Rulavan, dem immer wieder Punkte wie Schnee vor den Augen tanzten, ‚…dann kann ich wenigstens dir die letzte Ehre erweisen, mein Freund…‘
Er fand ihn. Er sank bei ihm nieder und er wäre wohl nicht so bald wieder aufgestanden, wenn Orahan nicht nach dem Kampf darangegangen wäre, die Gegend zu sichern.
Sein Späher hatte ihm außer Atem gemeldet, daß jemand die Gegner aufgescheucht hatte, daß es dort Alarm gegeben habe. Daraufhin war er übereilt aufgebrochen, obwohl er noch nicht alle versammelt gehabt hatte, die ihm bei dem Angriff hatten helfen sollen. Die Gelegenheit schien günstig. Und nun waren alle tot, es hatte keine Gefangenen gegeben. Nicht von denen, die ihn vor über zwei Jahren angegriffen hatten und seinen ganzen Clan beinahe ausgelöscht hätten. Nicht von denen, die dasselbe anderen umherziehenden Familiengruppen angetan hatten, die in dieser Gegend nichts als ihre Ruhe und Abstand zur Politik des Ostreiches gesucht hatten. Orahans Schar bestand zu einem Großteil aus den Überlebenden der anderen Familien, die sich ihm angeschlossen hatten. Heute hatten sie alle endlich Rache nehmen können. Aber wer oder was hatte die Gegner überhaupt erst so durcheinander gebracht?
Sein Kundschafter deutete ihm die Spuren. „Eine Gruppe von Flüchtenden, vielleicht Frauen, 5 oder 6, oder auch Jugendliche… Kinderfüße… ein Mann – nein, der dort war nur kleiner als der andere… zwei Männer… Sie sind dort hinein…“ Der große Krieger an Orahans Seite knurrte und schickte den Kundschafter unwirsch voran. Es war offensichtlich, weshalb die Gruppe diesen Weg genommen hatte und da sie auf der anderen Seite niemandem begegnet waren war er ziemlich sicher, was sie dort finden würden. Es dauerte nicht lange, und sie stießen auf die Spuren eines Kampfes, stießen auf tote Männer. Sie waren von gewaltigen Schwerthieben niedergestreckt worden. „Der größere Krieger hat sie gestellt, aber dann wurde er zurückgedrängt,“ sagte der Kundschafter. „Einer allein konnte an dieser Stelle viel Schaden anrichten, aber sie bestimmt nicht dauerhaft aufhalten… er wird… Orahan?“ Sein Anführer hatte sich an ihm vorbeigeschoben und um die Biegung gesehen. Dann war er mit einem seltsamen Laut zusammengefahren und vorwärtsgerannt. Seine Männer folgten ihm überrascht.
„Rulavan!“
Langsam hob der Gerufene den Kopf. Sein Blick war verschleiert. Orahan ging bei ihm in die Knie, auf Foftrons anderer Seite, und blickte die reglose Gestalt entsetzt an. „Oh bitte, nein…“ sagte er.
„Er atmet“, seufzte Rulavan, „…aber immer flacher und… er hört mich nicht…“ Und dann entlud sich all seine Frustration auf sein Gegenüber. „Du kommst zu spät!“ schrie er ihn an. „Wenn du schon in der Nähe warst, wieso bist du nicht eher gekommen? Eine halbe Stunde, eine Stunde eher, und dies wäre nicht passiert! Warum kommst du erst jetzt, verdammt! Orahan! Er hört mich nicht, und dabei warst du so nahe! Du….“ Orahan zuckte zurück. Er hatte einen solchen Ausbruch von dem sonst so ruhigen Mann nicht erwartet. Und auch wenn er verstand, daß der Schmerz aus Rulavan sprach, so machten ihn seine Worte doch wütend. Die Strahlen der untergehenden Sonne, die gerade jetzt ihren Weg in die Schlucht fanden, ließen sein Haar aufflammen. „Ich kam, so schnell ich konnte! Wir kamen, ehe noch alle meine Krieger beisammen waren, und glaubst du, ich hätte niemanden verloren dabei?!“ „Ihr kamt genau im für euch richtigen Augenblick, du hattest doch Späher hier, wieso… wieso warst du nicht eher da?! Dachtest du: Lass die Rohirrim sie ruhig ablenken?!“
Orahan schüttelte energisch den Kopf. „Wir sahen nicht, was sie aufgeschreckt hatte. Ich wußte nichts von euch. Verdammt, glaubst du denn, ich wäre nicht sofort an eure Seite geeilt, wenn ich es gewußt hätte?!“
„Das weiß ich nicht, aber in jedem Fall warst du zu spät“, bellte Rulavan und ballte eine Faust.
„Nicht.“
Foftron hatte die Augen geöffnet und seine Hand schloß sich um Rulavans Faust. „Nicht“, wiederholte er sanft. Er griff mit der anderen Hand nach Orahans Rechter und hielt auch sie.
Seine beiden Freunde sahen erst ihn, dann sich verblüfft an und schwiegen vor Scham, als ihnen klar wurde, daß sie im Begriff gewesen waren, sich über ihn hinweg an die Kehle zu gehen. Zerriß ihre Freundschaft so schnell, kaum, daß das verbindende Glied … nicht mehr da war? „Verzeiht mir“, flüsterte Orahan. „Bitte, verzeiht mir, ich wußte es nicht… ich…“ Tron drückte seine Hand. Er war für den Moment zu erschöpft, um zu sprechen. Rulavan standen Tränen in den Augen. „Ich wollte nicht… es…“
„Die Kinder?“ unterbrach ihn Foftron kaum hörbar. Rulavan schluckte und riß sich zusammen. „Ich habe sie fortgeschickt, sich zu verstecken, als der Kampf begann. Sie sind in Sicherheit. Die Frauen und die Kinder, ihnen ist nichts passiert, mach dir keine Sorgen. – Orahan, es tut mir leid, du kamst zur rechten Zeit. Sonst wären sie nicht in Sicherheit. Ich…“ Trons Blick wanderte zu dem Pfeil, der noch immer in Rulavans Schulter steckte. „Ich werd’s schon schaffen“, versicherte der ihm daraufhin. Foftron lächelte, dann wandte er den Kopf Orahan zu. „Bring sie heim. Und kümmere dich von nun an um… mein Pferd“, bat er leise. Die Pause, die er gemacht hatte und sein Blick sagten Orahan deutlich, daß er ihm nicht nur die Verantwortung für die Frauen und das Tier übertrug. ‚Kümmere dich um Rulavan‘ hatte er vermieden, laut auszusprechen.
„Verlass‘ dich auf mich“, versprach Orahan ihm. Tron nickte schwach und schloß mit einem Seufzen die Augen.
Sie saßen bei ihm und hielten seine Hände, während Orahans Männer in respektvollem Abstand warteten.
Als es vorüber war, verließ Rulavan jegliche Kraft. Er wäre beinahe auf die verletzte Schulter gekippt, doch fing ihn Orahan geschickt auf. „Bring ihn zu Shem“, wies er den kräftigeren Krieger an. „Du warst damals nicht dabei… aber dieser Mann ist ein guter Freund von mir und ich will, daß unser Shamane alles aufbietet, was er an Kunst besitzt. – Und du schickst mir Bagatur, Noyan und Tamerlad her. Sie sprechen die Sprache der Rohirrim und sollen mir helfen, die versteckten Frauen und Kinder zu finden. Ich werde hier Wacht halten, bis sie ankommen. Kenan mag sich Träger wählen, die diesen gefallenen Krieger in Ehren ins Lager bringen. Er soll nicht in fremder Erde ruhen.“

Es war eine helle Nacht. Der Vollmond war durch keinerlei Wolken verdeckt und hunderte von Sternen funkelten klar. Geol achtete nicht auf sie und war nur dankbar, daß es hell genug war, um sie ihren Weg finden zu lassen. Daß er dabei auf Eagan verzichten musste, den die Falle am Ende seines Weges ausser Gefecht gesetzt hatte, und daß es so lange gedauert hatte, bis sie über den Fluß gekommen waren ärgerte ihn schon genug. Wenn die Jungen in Schwierigkeiten geraten waren, dann war er jetzt um Stunden zu spät um ihnen noch helfen zu können. Da kehrte Tevnan, der voraus gewesen war, eilends zu ihnen zurück. „Reiter, eine ganze Gruppe!“ rief er. „Sie nähern sich in gemächlichem Tempo. Und, Captain, sie tragen Fackeln.“ „Fackeln?“ stutzte Orswig. „In einer Nacht in der die Gräser Schatten werfen? Was für eine Teufelei ist das nun?“ „Vielleicht keine Teufelei, eher das Gegenteil“, vermutete Aerwald. „Entweder fühlen sie sich sicher und allein in dieser Gegend oder sie wollen Aufmerksamkeit, soviel ist klar. Wieso sollten sie die wollen?“ „Nun, weil sie der Köder sind, auf den wir uns stürzen sollen“, knurrte Orswig. Sein Captain schüttelte den Kopf. „Eine seltsame Taktik, denn so könnten wir sie von fern erschießen und müßten ihnen gar nicht nachsetzen. – Tevnan, ich reite mit dir zurück, wollen doch sehen, was die Fackeln uns zeigen. Aerwald, halte die Männer bereit und folgt uns langsamer.“
Das Gelände war hier übersichtlich, von einzelnen kleinen, mit Buschwerk bestandenen Hügeln überzogen, ehe es zum felsigeren Teil in der Entfernung anstieg. Sie erhaschten einen guten Blick auf die Gruppe und Geol hielt den Atem an. Ganz vorn ging die große, helle Stute, die Foftron geritten war. Das Tier war unverkennbar, doch hatte ihr Reiter kein flammend rotes Haar. Rechts und links von ihr waren Fackelträger, und es waren dunkle Gestalten, die die Fackeln trugen. Tevnan zischte. „Sie haben Trons Pferd erbeutet. Und schau, dicht hinter ihr ist Rulavans Falbe.“ Geol antwortete nicht. Er kniff die Augen zusammen und beobachtete. Dann keuchte er auf, als er das Zeichen erkannte, das an einigen Wimpeln flatterte. „Die Tosnach… Orahans Clan! Sind sie es wirklich oder ist das eine List?“ „Ich denke nicht, daß Orahan irgendeinem anderen Clan davon berichtet hat, wie er den Winter damals überstanden hat,“ meinte Tevnan. „Wieso also sollte ein fremder Clan sein Zeichen gegen uns nutzen?“ Geol nickte. „Das sehe ich ein. Komm.“
Er ritt ihnen entgegen, hielt aber an, als er nahe genug war, daß der Pfeil eines Bogenschützen ihn erreichen konnte, und rief ihnen einen Gruß zu. Sein Ruf wurde erwidert. Die Fackelträger verhielten einige Längen vor ihm und mit ihnen der ganze Zug. Nur der Reiter der hellen Stute trieb sie noch bis zu Geol, ehe auch er anhielt.
Geol erkannte Orahan. Und die Tatsache, daß er Foftrons Pferd ritt und einen halb-besinnungslosen Rulavan im Arm hielt ließ ihn Böses ahnen. Sie sahen einander nur an und schwiegen. Orahan gab ein Zeichen und einer nach dem anderen ritten Krieger voran, die eine Frau oder ein Kind bei sich im Sattel trugen. Sie setzten ihre Last jeweils vorsichtig bei Geol ab, hinter dem jetzt auch der Rest seiner Männer aufschloß. Dann kehrten sie wortlos in ihre Reihen zurück.
„Fünf Frauen und sieben Kinder“, sagte Orahan. „Und sie wären nicht so heile hier angekommen, wenn Tron sie nicht bis zuletzt verteidigt hätte.“ Er winkte wieder und Kenan führte Rulavans Pferd heran. Ein Blick auf dessen Last sagte Geol genug. „Eure Gefallenen sind gerächt“, informierte ihn Orahan. „So wie auch die unsrigen. Die, die euch dies getan haben, sind nicht mehr, und auch ihr Name soll vergessen sein.“ Er klang ernst und er wirkte, als sei sehr viel mehr Zeit vergangen als die etwas mehr als zwei Jahre, seit Geol ihn zuletzt gesehen hatte. Seit er noch fast ein Kind gewesen war, das fröhlich und neugierig überall dort auftauchte, wo Rulavan und Foftron waren. Geol nahm die Zügel des Falben aus Kenans Hand entgegen.

aus den Ländern von Mittelerde und darüber hinaus