Unterwegs

Dedhros fuhr mit einem leisen Schrei auf. Er sah sich mit aufgerissenen Augen um, konnte aber in der Dunkelheit wenig mehr erkennen als schattenhafte Umrisse. Trevvis neben ihm brummte. „Schon Zeit zum Aufbruch?“ Er klang unwirsch, als er sich aufsetzte. Dann bemerkte er, daß die anderen noch schliefen und Dedhros zitterte. „Was hast du, Junge?“ fragte er leise. Dedhros antwortete nicht gleich. Er sah Trevvis forschend aus immer noch weit offenen Augen an, dann lehnte er sich an seine Schulter und wartete, daß sein Herz ruhiger schlug. „Böser Traum“, sagte er schließlich. „Du hast mich wütend angesehen. Nicht gesprochen. Bitterböse. Ich wußte nicht, wieso. Ich konnte nicht fragen. Stumm. Konnte mich nicht bewegen. Ihr seid ohne mich aufgebrochen.“ Er klang vorwurfsvoll, verletzt.
Trevvis seufzte. „Wir würden dich niemals im Stich lassen, Dedhros,“ versicherte er. „Es war so echt“, antwortete der Junge traurig.
Er klang so unglücklich, wie ihn Trevvis noch nie gehört hatte. Es passte nicht zu ihm. Er schnaufte. „Und es war doch nur ein Traum. Glaub ihm nicht. Aber ich denke, ich weiß, warum du so etwas träumst. Die ersten Tage nach Helms Klamm sind wir so langsam geritten, daß wir Zeit hatten, einander kennen zu lernen. Die Pfade durch die Berge waren schön, und auch, wenn wir wenig Pausen gemacht haben, hast du doch immer Zeit gehabt, etwas mit Hamnath oder mir oder den anderen zu unternehmen. Rohin und Hereward haben wann immer es ging mit uns geübt, Aswig hat dir alles erklärt, was dir neu war, soweit war alles gut. Und dann kam Dunharg. Es hat mich ja schon aufgewühlt, das große Heer, all die Menschen. Es tut mir leid. Ab dort, fürchte ich, haben wir dir zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Seit drei Tagen geht es nur noch ununterbrochen schnell voran, immer tiefer in diese Düsternis hinein. Allen fehlt das Licht und es ist keine Zeit und keine Kraft übrig gewesen für freundliche Gespräche und für Übungen. Es tut mir wirklich leid. Ich habe kaum darüber nachgedacht, wie es für dich sein muß. Du bist ja einer von uns. Aber… das bist du noch nicht lang. Für dich ist es fremd, das sagt mir dein Traum, mit tausenden von Männern zu reiten, die bis vor kurzem deine Feinde waren und die deine Sprache nicht sprechen. Auch ich verstehe nur wenig davon und Aswig reitet ebenso schweigend und bedrückt wie wir alle. Auf Helms Klamm haben wir unsere Lieben in den Höhlen hinter uns verteidigt. Aber wohin reiten wir jetzt? Immer weiter fort von allem, was du kennst. Es ist kein Wunder, daß du dich da allein gelassen fühlst, wirklich nicht. Ich habe dich nie gefragt, was du überhaupt weißt über dies fremde Land Gondor, über die Stadt Minas Tirith, über Mordor, das uns bedroht. Ich habe selbst nur ganz unklare Vorstellungen davon, und da geht es mir wohl wie den meisten hier. Für uns genügt es aber auch, zu wissen, daß unser König uns voran reitet und wir einen Eid geleistet haben, Gondor zu helfen. Und du… kommst mit uns, weil wir gehen. Es tut mir leid. Wirklich. Morgen früh bitten wir Aswig, bei uns zu reiten. Er soll dir deine Fragen beantworten, so gut er kann.“ Er hatte sehr langsam gesprochen, einige Worte ruhig oder in einfacherer Form wiederholt. Es schmerzte ihn, daß die Sprache eine solche Barriere zwischen ihnen war, denn auch wenn Dedhros sie verstand, es war doch nicht leicht für ihn und zeigte ihm immer wieder deutlich, wo er war. Nun sah er den Jungen an, unsicher, ob es ihm gelungen war, ihn zu beruhigen.

aus den Ländern von Mittelerde und darüber hinaus