In den Höhlen…

Geol war hundemüde und bewegte sich langsam. Erst vor Kurzem waren die ersten zu ihnen gekommen, die berichteten, wie es dem König ergangen war. Sie hatten… gesiegt? Aber wie…? Die Berichte waren noch wirr. Er konnte nur ahnen, wie es dem jungen Hamnath erging und hoffte, daß er ihn bald würde überreden können, die Arbeit eine Weile ruhen zu lassen und zu schlafen.
Sie hatten überlebt… die Anspannung wich, und wieder kämpfte Geol gegen die Erschöpfung. Er seufzte. Die Arbeit ruhen lassen… noch war das unmöglich. Schon wagten es die ersten, die Höhlen zu verlassen. Sie brachten Verletzte mit, die die Höhlen verteidigt hatten.
„Zuerst die Schwerverletzten, die anderen warten bei den Betten dort drüben…“ Selbst in seinen eigenen Ohren klang seine Stimme mechanisch. Zum Glück waren sie nicht allein hier. Und außer den Heilern der Burg blieben einige bei den Freunden, die sie gebracht hatten, und halfen mit, sie zu versorgen. Jetzt war der Kampf vorüber, jetzt war das möglich.
Hamnath stolperte und fing sich gerade noch an einem der Bettpfosten ab. Für einen Moment verschwamm seine Umgebung vor seinen Augen. ‚Nur einen Moment…‘, er schloss kurz die Augen, riss sie aber sogleich wieder auf. Nein, wenn er erst damit anfing, würde er noch im Stehen einschlafen. ‚Nimm dir ein Beispiel an Meister Taernedden. Er scheint unermüdlich zu sein. Reiß dich also zusammen. Wenn es wahr ist, was die Leute sagen, dann werden bald noch mehr Verletzte kommen.‘ Er wusste nicht, ob es die Wahrheit war, dass sie gesiegt haben sollten… es war noch zu frisch, dass er fest geglaubt hatte, diese Nacht nicht zu überleben, als dass er sich jetzt an die bange Hoffnung klammern mochte, dass sie es geschafft hatten. Er öffnete die Augen und richtete sich auf, bevor Geol ihn noch so sah. Der nächste Verletzte wartete schon.
Geol lächelte den Krieger vor sich freundlich an, schüttelte aber innerlich den Kopf, als er sich umwandte. ‚Ein Wald steht vor dem Deich, der hat die Orks gefressen‘, hatte der Verletzte gesagt. Er fragte sich besorgt, was dort geschehen war. Aber immerhin… die, die ihn gebracht hatten, hatten doch… normal gewirkt.
Geol betrachtete Hamnath, der kurz gegen einen Pfosten gelehnt hatte. ‚Wenn sie da draußen bereits dem Wahnsinn anheim fallen, dann sollte ich dich wirklich bald aus dem Verkehr ziehen. Es gibt Geschichten, die du jetzt nicht brauchst.‘
Hamnath befestigte den Verband und sprach ein paar beruhigende Worte zu dem Mann vor sich auf dem Lager. Er war zu müde, um noch irgendeinen Sinn in das Gestammel zu bringen, dass dem Krieger keine Ruhe ließ. Mit fast mechanischen Bewegungen goß er einen kleinen Schluck in eine Tasse und gab sie dem Mann zu trinken. Es würde ihn zumindest etwas zur Ruhe bringen, wie er hoffte.
Hamnath richtete sich auf und streckte sich, irgendein Wirbel in seinem Rücken knackte, als er in die richtige Lage zurücksprang. Sich den Rücken haltend sah der junge Heiler sich um, wer der Nächste sein mochte.

Tjarn schwankte unter der Last, die er trug, und sah sich hastig um. Seit sie Truston aus dem Gang geholt hatten, in dem er die Kinder verteidigt hatte, war er noch nicht wieder richtig zu Bewußtsein gekommen. Tjarn und Henwen hatten sich um ihn gekümmert so gut sie vermochten, aber es war deutlich, daß das nicht ausreichend war. Sobald es möglich gewesen war, hatte Tjarn seinen Sohn aus den Höhlen heraus und zur Burg getragen, hoffend, dort noch irgendwelche Heiler anzutreffen. Man hatte ihn hierher gewiesen. Endlich. ‚Wohin…?‘ fragte er den ersten, den er sah, denn schon entglitt der Junge seinem Griff. Tjarn war nicht mehr der Jüngste.
Hamnath sah den älteren Mann unter seiner Last schwanken und den Bewusstlosen aus seinem Griff verlierend. So rasch er konnte eilte er zu ihm um mit zuzupacken. Er deutete auf eine der letzten freien Lagerstätten und ohne große Worte schleiften sie gemeinsam den jungen Mann hinüber. Kaum dass er auf dem Lager lag, versuchte Hamnath sich einen Überblick über die Verletzungen zu… bekommen. Abschürfungen und Prellungen, einge Schnittwunden. Doch vor allem schien der Kopf etwas abbekommen zu haben, der notdürftige Verband war bereits durchgeblutet.
Truston murmelte etwas Unverständliches.‘
„Er… er hat gegen mehrere Orks gekämpft… als sie ihn schließlich gefunden hatten… hat sie von den Kindern weggelockt… das war schon in der Nacht, und seitdem…“ Tjarn klang verzweifelt, als er dem jungen Mann erklären wollte, was geschehen war. Er fühlte sich etwas hilflos. „Kann ich etwas tun?“ wollte er wissen.
Hamnaths Verstand filterte die wichtigen Informationen aus den Worten des Mannes heraus, dessen Sorgen überdeutlich war. Schon seit der Nacht also. „Ist er vorher wach gewesen? “ Jetzt zumindest war der junge Mann kaum mehr bei Bewusstsein.
„Kaum. Er hat kaum erkannt, daß wir ihn in Sicherheit gebracht hatten.
Besorgt untersuchte Hamnath ihn weiter. Er hatte einige Verletzungen, die wohl von den Orks stammen mochten, doch hatte er mehr Glück gehabt als andere. Keine von diesen war lebensbedrohlich. Nur die Kopfwunde machte ihm Sorgen.

Geol blinzelte mehrmals. Er hatte jemanden in seinem Rücken mit Hamnath sprechen hören, hatte auch die Worte gehört, aber erst jetzt, als er mit dem Verletzten fertig war, der ihn bis eben beschäftigt hatte, erkannte er, zu wem die Stimme gehörte.
„Tjarn? Tjarn….“ Er fuhr zu ihm herum um zu sehen, wen Trevvis‘ Vater hergebracht hatte.
„Hauptmann Taernedden…? Aber… wo… kommt ihr jetzt her nach all der Zeit? Seid ihr auch verletzt?“
„Nein. Erschöpft, aber unverletzt, Meister Sigurdson.“ Er beugte sich über das Bett und fragte Hamnath, welche Verletzungen es gab, sich aber bereits selbst ein Bild machend. Hamnath teilte seinem Meister seine Einschätzung mit, während er bereits Verbände von einem klienen Tisch heranholte.
Tjarn runzelte die Stirn. „Ich hatte gehofft, daß hier ein richtiger Heiler…
Geol sah nicht einmal auf. „In der Zeit, in der ihr mich nicht gesehen habt, bin ich ein solcher geworden. Woher hat Truston diese Kopfwunde? Orksäbel?“
„Die, die wir schließlich erlegt haben, trugen schwere Keulen.“‚
[Gefährten] Geol: ‚Geol nickte. Eine Keule war schlimm genug, trug aber meist nicht gar soviele Spuren früherer Kämpfe, die eine Wunde verunreinigen konnten.
Hamnath schätzte die benötigte Länge ab und schnitt einen neuen Verband für den Kopf zurecht. „Dann hat er Glück gehabt.“ Hamnath hatte die Nacht bereits mehr als gunug schlimmere Wunden gesehen. Wo alle ihre Bemühungen umsonst gewesen waren.
Tjarn schaute nicht drein, als glaube er diesbezüglich an ‚Glück‘. Er knete nervös die Finger der rechten Hand.
„Meister Sigurdson… ihr habt alles getan, wir tun alles… aber gerade jetzt gibt es nichts, daß ihr weiter tun könntet. Ich weiß nicht, wie es um eure Familie steht. Wollt ihr zu ihnen zurückkehren oder lieber hier warten, daß Truston zu sich kommt?‘
Aus seinen Gedanken aufgeschreckt blickte ihn Tjarn an. „Ist… ist Trevvis auch hier?“ fragte er zögernd.
Hamnath wusch die Wunde aus und versorgte sie, nur mit einem Ohr dem Gespräch der beiden zuhörend. Der junge Mann hatte unwahrscheinliches Glück gehabt, den Schlag überlebt zu haben, doch das wollte er dem Mann jetzt so nicht sagen. Alles andere musste sich zeigen.
Truston stöhnte leise.
Geol schüttelte den Kopf. „Er ist nicht unter den Verletzten. Zuletzt war er bei Lorron auf der Mauer. Ich nehme an, sie sind noch draußen.“
Tjarn Kopf fuhr herum, zu einem der wenigen Fenster. Natürlich konnte er nichts daraus erkennen. Er zitterte leicht.
Geol konnte ihm leider nichts anderes sagen. „Setzt euch, Meister. Wir werden von ihnen hören.“
Bei Erwähnung von Trevvis sah Hamnath nun doch auf. Der Trevvis, der sich um Dedhros und ihn gekümmert hatte? Er hatte noch keinen von ihrer Einheit hier wieder gesehen… und dafür war er zum Einen dankbar… zum Anderen… wollte er nicht darüber nachdenken… Er hoffte, dass alle noch am Leben waren. Und unversehrt.
Geol bemerkte Hamnaths nachdenklichen Blick. „Truston ist der Bruder von Trevvis, Hamnath“, erklärte er ihm. „Magst du seinem Vater nicht zeigen, wo er hier helfen kann, während er wartet?“
„Oh, uh, ja, natürlich.“ Hamnath erhob sich vom Bettrand und sah sich kurz suchend um. Er wusste nicht, was er voraussetzen konnte an Fertigkeiten, daher entschied er sich für leichtere Aufgaben, die kein Wissen voraussetzten. Nach einigem Überlegen führte er ihn zu einem Tisch, wo der deutlich geschrumpfte Vorrat an Stoffen darauf ‚wartete, zu Verbänden verarbeitet zu werden.
Tjarn blickte unschlüssig auf seinen Sohn, dann Geol an: „Ich weiß, ihr haltet nicht viel von ihm. Aber…er hat dies nicht verdient! .. bitte…“
Geol legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter und sah ihn ernst an. „Ihr kennt mich. Ich lasse niemanden fallen, der gerettet werden kann. Was ich nicht weiß, wissen andere. Wir werden um Truston kämpfen. Und nun, bitte, folgt Hamnath.“

Geol war froh, Tjarn neben Hamnath stehen zu sehen und kümmerte sich wieder um die Aufgaben, die anstanden.

In seinen Träumen irrte Truston noch immer durch die verzweigten Gänge. Die Geräusche der Verfolger wurden ebenso verzerrt wie seine Versuche, wie eine ganze Gruppe von verschiedenen Kriegern zu klingen, die voller Tatendrang auf Orksjagd waren.
Manchmal gar erwischte er sich dabei selbst daran zu glauben, dass da noch irgendjemand sonst war, der gegen die Orks stand, wenn ein Echo besonders nachhaltig widerhallte. Sein Kopf schmerzte, dem letzten Ork war er nur knapp entronnen. Die Keule hatte ihn am Kopf gestreift, doch der Triumpfschrei des Orks, als Truston strauchelte, war in einen Laut der Angst umgeschlangen, als der Fels unter seinen Füßen bröckelte und wegbrach. Er hallte die ganze lange Zeit nach, bevor er endlich verstummte. ‚Das war ein langer Fall‘, dachte Truston… ‚was wohl da unten auf ihn wartete…‘
Er hatte sich schwankend aufgerappelt und wäre beinahe hinterher gestürzt.
Die Begleiter des Orks waren vorübergehend verstummt. Offenbar hatte der Todesschrei sie zumindest vorübergehend den Mut gekostet. Truston unterdrückte mit Mühe ein Kichern. ‚Das war wohl selbst für die hartgesottenen Biester zuviel…‘ Er sah sich um, wohin sollte er sich jetzt wenden. Er durfte die Verfolger nicht abhängen oder zulassen, dass sie vor Angst flüchteten. Zu leicht bestände die Möglichkeit, dass sie einen anderen Gang zu den Höhlen mit den Kindern fänden. Seine Suchaktionen der letzten Tage kamen ihm zugute, und er beschrieb einen Bogen, um den Orks, die sich von der Stelle, wo ihr Anführer gestorben war, zu entfernen schienen, den Weg abzuschneiden. Diesmal bewegte er sich leise, um sie nicht zu erschrecken und noch schneller fortzutreiben. Er hatte zunehmend Mühe sich auf den Beinen zu halten und seine Sicht verschwamm immer öfter.
Seltsamerweise vernahm er trotzdem immer wieder Laute, die klangen, als wären andere hier in den Höhlen unterwegs, doch vermochte er nicht zu entscheiden, ob nicht doch nur seine Wahrnehmung ihm zunehmend Streiche spielte.
‚Es mag dennoch wahr sein, die Kinder haben sicher die Höhle erreicht und die anderen gewarnt.‘ Er glaubte fest daran. Die älteren der kleinen Gruppe von Erkundern würden die Frauen und die Wächter gewarnt haben. Aber ob sie wählen würden, ihm in die Gänge zu folgen oder lieber den Höhleneingang zu verteidigen, wusste er nicht.
Als er vor sich Stimmen hörte, atmete er auf, für eine kurze Weile, die er sich durch das Halbdunkel der Gliterzenden Grotten gekämpft hatte, hatte er befürchtet, die Orks verloren zu haben. Doch da waren sie nun, zusammengerottet, und sprachen erregt miteinander, ihre kehligen Stimmen klangen ängstlich. Er schlich näher und lauschte. Wild durcheinander gingen die Mutmaßungen und Anschuldigungen in der Gruppe. Die einen wollten nicht mehr weiter ob der Menge Feinde und lieber fliehen, die anderen drohten damit die Angsthasen zu töten.
Truston klammerte sich an einen Felsen um sich aufrecht zu halten und hätte beinahe laut gelacht. Er spürte, wie ihm die Wirklichkeit entfloh. Alles drang nur noch wie in Watte an sein Ohr und seine Sicht war verschwommen. ‚So ist das also, wenn man stirbt.‘ Er war erstaunt, keine Angst zu haben. ‚Auf zum großen Finale also.‘ Er war auf dem Weg hierher an einem geeigneten Ort vorbei gekommen.
Mit zunehmender Mühe verfolgte er seine Schritte zurück bis zu der Höhle, wo der Boden uneben war und unter seinen leichten Schritten knirschte und leicht nachgab. Er ahnte mehr die Höhle unter ihm als dass er sich ihrer wirklich bewusst war. Die schweren Orks mochten genug sein, um diesen Teil einstürzen zu lassen.‘
Nach kurzen Vorbereitungen postierte er sich und ahmte Kinderstimmen nach, die verzweifelt um Hilfe riefen. Er baute darauf, dass selbst verängstigte Orks diesem Lockvogel nicht würden widerstehen können.

Ein seltsames Geheul war durch die Gänge geschallt. Aswig hatte aufgehorcht. Als er es wieder und noch einmal hörte, war er sich sicher: dies waren keine Orks. „Haram… hörst du das?“ Haram knurrte, immer noch die Richtung prüfend, damit sie sich nicht verirrten. „Ja. Klingt nach Trevvis‘ kleinem Bruder.“
Aswig schnaufte, als er seinen Eindruck bestätigt bekam.“ Beide sahen sich an. „Kann das sein?“
Haram zuckte mit den Schultern. „Lass es uns herausfinden. Ich kenne nichts, was sonst solche Geräusche macht.“

Sie kamen jedoch nicht weit. Das Getrappel rennender Füße vor ihnen wurde lauter, und dazu kam der kehlige Laut eines rufenden Orks. Ihnen entgegen, in wilder Flucht, kamen zwei der Kreaturen, offenbar getrennt vom Rest der Horde, nach den anderen brüllend.
Sie lauerten ihnen auf und erlegten sie. Als sie sich danach aufrichteten war es beinahe still in den Höhlen.
Nur einige verwirrende Echos schienen von hier oder dort zu kommen, es war unmöglich, sie zuzuordnen, ja, sie überhaupt richtig wahrzunehmen. „Was nun?“ fragte Aswig. Haram zuckte mit den Schultern. „Weiter in die Richtung, aus der die gekommen sind. Mal sehen, wo die anderen sich rumtreiben.
„Verflucht!“ zischte Haram, als er vor sich das laute verängstigte Weinen von Kindern vernahm. Aswig war bereits vorangestürmt…

Truston hatte ein altes Lager auf dem Weg gefunden und die zerfallenden Decken und einige andere Dinge zusammen gerafft und vor dem instabilen Bereich der Höhle bei ein paar Felsbrocken zurechtgelegt, so dass sie wie eine kleine Gruppe zusammen gekauerter Kinder aussehen mochten im Wechselspiel von Licht und Schatten hier in den Höhlen. Er suchte sich einen guten Platz und ließ erneut ein verzweifeltes Kinderweinen hören, dass sich langsam in die Höhe schraubte. Es hallte durch die Gänge wider, doch diesmal wurde es begleitet von den Geräuschen schwerer eisenbeschlagener Stiefel. ‚Ich hoffe, unsere Leute gehen mir diesmal nicht auf den Leim…“
Er ließ das Weinen in ein Wimmern übergehen, kurz bevor die Orks aus dem Gang kamen, von wo er sie erwartet hatte. Still hockte er da und ließ sie vorbeiziehen. Kurz hatten sie gestutzt, doch ihr Jagdinstinkt war offenbar wieder erwacht und die Aussicht auf leichte Beute ließ sie unvorsichtig werden.
Truston wusste, dass ihm nicht viel Zeit blieb. Sobald die ersten die List erkannten, würde er Schwierigkeiten bekommen…
‚Laßt mich noch solange durchhalten…‘ dachte er, die Hand an den Felsen geklammert und sich leise hochziehend, nachdem der letzte der Orks an ihm vorbei war.
Noch immer in Deckung, doch sprungbereit sammelte er die letzte Kraft und stieß ein wahrhaftig schauerhaftes Geheul aus. Er hatte sich einen vermoderten Umhang umgehängt und einen Helm mit einem abgebrochenen Horn, doch im Halbdunkel würde dies seine Erscheinung nur noch schauerlicher machen.

Aus dem Dunkel eines kleineren Seitengangs auftauchend sahen Aswig und Haram die Bewegung eines flatternden Umhanges, als ein Krieger vor ihnen sich brüllend vorwärts stürzte.
Wenn sie nicht geahnt hätten, wer unter diesem Umhang verborgen war, hätte sie dieser Anblick sicher erfreut… so jedoch beeilte sich Aswig, der wendiger als der große Haram war, aus dem schmalen Gang heraus und dem Mann hinterher zu kommen.

Wild zischten die verrosteten Säbel, die er unterwegs aufgelesen hatte, durch die Luft. Er hatte nicht im Mindesten die Hoffnung, damit dicke Orkhaut zu verletzten, doch mussten nur genügend der Kreaturen den instabilen Teil des Höhlenbodens betreten, um ihn zum Einsturz zu bringen, zumindest hoffte er das… für etwas anderes war es eh zu spät.

Der große Ork, der sich gerade bei dem Haufen Lumpen niedergebeugt und diesen mit seinem Schwert durchbohrt hatte, fuhr ebenso auf, wie die anderen kleineren hinter ihm. Er wollte die feige Bande, die sich hinter ihm drängelte schon wütend zurechtweisen als die feigen und unfähigen Maden, die sie waren, als ein wahrhaftiges Schauergeheul die ganze Höhle erfüllte und mit einem Mal der Schatten einer riesigen verunstalteten Gestalt über sie fiel. Kurz fielen ihm wieder all die Geschichten ein, die unter ihren Stämmen über dieses Gebirge erzählt wurden.‘
Dann rempelten ihn schon die ersten an, die vor der Gestalt zurück zur Höhlenmitte wichen. Sein Fluch ging im Bersten von Fels unter. Unter ihm brach der Boden ein und riß ihm mit sich. Die kleineren Orks, die sich feige zurückgehalten hatten, nun aber der neuen Gefahr zu entfliehen versuchten, stürzten nach allen Seiten davon, die weg von der Gestalt führten, doch der Boden, einmal angebrochen, brach auf immer weiterer Breite ein und riß neue Spalten auf.

Truston strauchelte, als der Boden erbebte, versuchte zu stoppen, doch sein Schwung trug ihn vorwärts.

Aswig hörte den Fels brechen, sah den Mann wanken und wußte, daß er schnell sein mußte. Er sprang vor. Instinktiv ließ er das Schwert fallen und streckte beide Arme aus um zuzupacken, als er sah, wie der Mann im Umhang bereits abzurutschen begann. Hart landete Aswig auf dem Felsboden, als er nach dem Sprung aufkam, und sein Kinn schlug gegen den Stein, denn er konnte sich nicht abfangen. Aber er hatte den Umhang zu fassen bekommen.
Er hoffte nur, daß der Boden nicht weiter brechen würde. Gut, daß er lag. Er hörte den zerschlissenen Stoff in seinen Händen reißen. Entsetzt packte er nach. „Haram!“ schrie er. „Hilf mir, ich kann ihn allein nicht hochziehen!“
Auch Haram war nun heran, trat aber nur vorsichtig näher an die Kante. „Mach schnell!“ Aswig keuchte.“ Haram sagte nichts, beugte sich herab und griff nach den Armen des Mannes in Aswigs Händen. „Zieh mit“, sagte er dann. Erst, als sie alle ein paar Schritte von der Kante entfernt waren wagte es Aswig, den Umhang loszulassen. „Daß dies alte Ding überhaupt gehalten hat…“
„Es ist Truston“, bestätigte Haram seufzend. „Er lebt, aber…“
Truston war die Luft weggeblieben, als der Boden auch unter seinen Füßen wegbrach und er sich für den Bruchteil eines Augenblicks im freien Fall wiedergefunden hatte, bevor der alte Umhang, den er sich um Schultern Hals und Kopf geschlungen hatte, sich plötzlich wie eine Schlinge zuzog und er hart gegen die Felswand knallte, als etwas sein Sturz beendete. Er röchelte, und seine eh schon schwummerige Sicht wurde noch verschwommener. Etwas zerrte an ihm, er schrappte über unregelmäßige Felskanten. Da war noch etwas neben dem Geräusch von fallenden Steinen, doch das Rauschen seines Blutes in seinen Ohren übertönte alles. Er fühlte seine Kräfte schwinden. Als das Ziehen und Zerren nachließ, sah er undeutlich einen helleren Flecken über sich, der sich nur langsam in Aswigs Gesicht verwandelte. Älter und bärtiger als er ihn zu Lebzeiten in Erinnerung hatte. Doch irgendwie fand Truston den Anblick passend. Er wollte lachen, doch er bekam nur ein heiseres Röcheln zustande Er setzte noch einmal an. Aus den Augenwinkeln sah er ein zweites Gesicht auftauchen, und ohne eine Spur des Zweifels wusste er, dass es Haram war. Er lächelte: „Ich hätte mir denken können, dass ich euch hier sehe… im Tod wie im Leben über die Lebenden wachend…“ Es fiel ihm zunehmend schwerer zu sprechen und einen klaren Gedanken zu fassen. „Nur irgendwie dachte ich, dass Geister nicht so mitgenommen aussehen sollten…“ Seine Stimme wurde leiser und erstarb schließlich ganz, als sein Bewusstsein schwand.

Aswig blickte entsetzt und hilfesuchend zu Haram, der bereits dabei war, ein Stück Stoff mit dem kalten Wasser zu befeuchten, das hier stellenweise von den Steinen tropfte. „Wir müssen das kühlen, und wir müssen ihn hier herausschaffen, aber ohne das Ganze zu verschlimmern“, sagte der, ganz praktisch denkend.
„Er hält uns für Geister…“ „Ich hab’s gehört, Aswig. Hier, halt das mal.“
Aswig griff nach dem Stoff uns legte ihn vorsichtig auf die Wunde. „Er… er hat diese ganzen Orks… diese ganze Bande…“ Haram seufzte abwesend, nach Aswigs Schwert greifend, um den alten Mantel zurechtzustutzen. „Ja, hat er. Hätte ich ihm auch nie zugetraut.“
„Stirbt er uns?“ platzte es nun aus Aswig heraus, der mit der Schwere der Kopfverletzung doch überfordert war.
Haram nahm den Mantelfetzen an zwei Enden. „Nicht, wenn wir ihn schnell dorthin bringen, wo man sich in Ruhe um ihn kümmern kann. Fass mit an, wir nutzen das Ding als Tragetuch. Es scheint stabiler zu sein, als es aussieht.“
Aswig hockte noch immer da und reagierte nur schleppend. „Aber…“
„Du bist der Scout, mein Freund, hörst du nichts?“ Haram nickte in die Richtung des breiteren Ganges, aus dem wohl die Orks gekommen waren. „Schritte.“
Aswig horchte auf. Haram hatte Recht, aber es klang nicht nach den schweren Tritten der Orks. „Wer auch immer da kommt, es ist jemand von uns.“
„Dann lass uns keine Zeit verlieren. Ich habe keine Ahnung, wo Trevvis ist, wo die anderen sind, aber wenn dem Kleinen etwas passiert, nachdem er dies hier abgezogen hat, …. komm!“ Haram nahm die Seite mit dem Kopf, da er größer und stärker war, und sie gingen der anderen Gruppe entgegen.

Sich immer wieder besorgt umsehend und lauschend ging die kleine Gruppe den Gang weiter. Vor Kurzem war das verzweilfelte Weinen von Kindern einer Kakophonie von schauerhaften Schreien gewichen, vermischt mit dem ohrentäubenden Krach von zusammenstürzendem Felsgestein. Fassungslos waren sie stehen geblieben und hatten beraten. Weitergehen oder doch zurück zur Höhle. Sie waren sich uneins gewesen, vermissten sie doch keine Kinder aus ihrer Höhle. Doch schließlich gab es noch andere Gruppen in anderen Höhlenbereichen und auch von Truston hatten sie keine Spur gefunden. Außer Tjarn, der ihnen immer wieder versicherte, dass sein Sohn noch leben würde.
Als sie vor sich Schritte hörten, verharrten sie unschlüssig und verteilten sich schließlich zu beiden Seiten hinter Felsen, soweit diese Deckung boten. Doch waren es keine Orks, die letztendlich um die Biegung des Ganges kamen…

aus den Ländern von Mittelerde und darüber hinaus